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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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werden sich immer kleiner und kleiner replizieren, bis die Singularität durchbrochen ist. Dann wird sie den Gesetzen des klassischen Universums zum Opfer fallen. Sie wird ... dieser Toxicophilous war ein Genie. Meine Spielzeuge dagegen ...« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Reifungsbottiche. »Ich arbeite noch immer mit dem Periodensystem und abgetriebenen Föten. Was natürlich billiger ist. Das ist alles, was die Leute hier kümmert.« Ein Drucker summte; er riss das Blatt ab und überflog es.
    »Soweit ich das nachvollziehen kann, behalten L’Eve Future und ihre Nachfahren ein Modell des Quantenfelds in sich zurück, ein Modell der Schöpfung, eine Brücke, wenn Sie wollen, zwischen dieser Welt und dem Geist Gottes. Und jetzt steht diese Brücke allem Anschein nach in Flammen.«
    »Und wenn sie einstürzt?«, fragte ich.
    »Wird das Mädchen ihre sämtlichen Fähigkeiten verlieren. In England machen sie das mit allen Automaten, bevor ...« Er wurde rot. »Verzeihung. Ich vergaß. Wie grausam. Wirklich grausam! Ich möchte helfen. Bitte glauben Sie mir! Dafür muss ich wissen, ob diese junge Dame in der Lage war zu ... zaubern ?«
    »Seit sie bestäubt wurde, ist sie immer schwächer geworden. Außer ‒ außer dass sie jetzt Gedanken lesen kann. Das konnte sie vorher nicht.«
    »Eine temporäre Nebenwirkung, denke ich. Kompensation, wie der Gehörsinn bei Blinden.«
    »Aber Sie können Sie doch reinigen, oder?«
    »Der Staub gehört keiner Variante an, die mir bekannt ist.« Er schlug mir auf den Rücken. »Aber ja, ja, ich wage zu behaupten, dass ich dazu in der Lage bin. Dieses wundervolle Spielzeug darf nicht länger leiden!« Er tippte etwas in seinen Computer; das Hologramm verschwand. »Simsalabim!«, sagte er. »Und genau das werden wir mit den kleinen Robotern in der Matrix auch machen.«
    »Bevor Sie machen Simsalabim«, sagte Kito, die sich auf ihren nubischen Sklaven gefläzt hatte wie eine laszive Sängerin über einen Steinway, »soll Mr. Ignatz mir erzählen alles über Puppenplage.«
    »Später«, erwiderte ich. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    »Das ist richtig«, sagte Spalanzani. »Anfangs schwächt der Staub seine Opfer nur, aber dann kommt es zu ernsthaften Fehlfunktionen. Ihr Körper läuft nur mit fraktaler Software. Und diese Software wird gerade beschädigt.«
    Kitos Fingernägel bohrten sich in ebenholzfarbene Elektromuskeln. »Du halten die Klappe, Spielzeugmacher! Du wollen Sexmaschine für mich bauen oder zurück nach Europa?« Spalanzani verzog den Mund zu einem nervösen, beschwichtigenden Lächeln. »Und du«, fuhr Kito fort, »kleines englisches Balg, das süchtig nach Vampirküsse ‒ du machen, was ich sagen, oder Primavera gehen Weg von allem Silizium. Ich müssen wissen! Ich müssen wissen, wer Puppenplage angefangen. Damit Amerikaner mich endlich in Ruhe lassen!«
    Auf dem Monitor schien noch immer ein gespenstisches Nachbild zu glimmen: Schneeflocken, grüne Schneeflocken, Muster in Mustern, Gebilde, die Geist und Materie, Raum und Zeit umfassten ‒ ein Modell unendlicher Permutationen der Realität.
    Die Quelle des Puppenzaubers.
    Das Seven Stars war eine Verkörperung dieses Zaubers. Die labyrinthischen Korridore, schwindelerregenden Treppenfluchten und unmöglichen Perspektiven ahmten die Topografie eines rekombinanten Gehirns nach; eines klaustrophobischen, illusionären und künstlichen Gehirns. Hier wurden Oberfläche und Ebene zelebriert, die Paradoxa der Linie ‒ das Stars wirkte wie das Ergebnis einer architektonischen Zusammenarbeit zwischen Piranesi, Escher und einem Jahrmarktmagnaten, der ein schiefes Haus mit einem Spiegelkabinett und einem Irrgarten verbunden hat. Es war ein unterirdischer Palast, eine mit Juwelen geschmückte Koboldstadt, randvoll mit den zurückgelassenen Luxusgütern der Londoner beau monde . In seinen Katakomben schliefen tausend tote Mädchen.
    »Titania hat das Stars in sechs Monaten gebaut«, sagte Jo; ihr übergroßer Fuchsfellmantel schleifte über die Schachbrettfliesen. »Alles vor meiner Zeit, natürlich. Aber es heißt, dass die Puppen damals jeden Morgen aufwachten und ein neues Zimmer vorfanden, einen Flur, eine Treppe, wo vorher keine gewesen waren.«
    Die Gänge wurden von einem grünen Licht durchflutet, dessen Quelle nicht erkennbar war. Zu Beginn unserer Reise waren die Wände noch nackt gewesen, doch je weiter wir voranschritten (wie weit, weiß ich nicht; das Labyrinth führte nach rechts und links, vor und

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