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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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abgespeist worden war.
    »Wie kitschig«, sagte Primavera und riss die Audioeinheit heraus. »Und altmodisch. Meine Mama hat mir von diesen Teilen erzählt.«
    »Arme Primavera«, sagte Kito. »Keine Designerlautsprecher. Keine Tutu. Keine superkurze Minirock.«
    »Dafür kann ich doch nichts, Madame. Sie wissen doch, dass ich diese Neurose habe.« * Primavera hielt ein T-Shirt hoch, auf das ein Schornstein und die Worte Khao-Yai-Industrie-Park gedruckt waren. » Bougre! Was ist denn das?«
    »Du haben Glück«, sagte Kito. Auf ihrem Shirt war ein tanzendes Präservativ abgebildet und darunter der Slogan: Sei kein Blödel, steck ein Kondom auf deinen Dödel . Sie warf Primavera einen vorwurfsvollen Blick zu. »Schlimme Zeit, wenn Roboto krank machen.«
    »Ja und? Vor mir hat so ein Gummi noch keinen Kerl beschützt.«
    Wir fuhren weiter. Unsere Umgebung, von den Abfällen inzwischen verlassener Salzminen verschandelt, war knochenweiß; Eukalyptusbäume rangen der ausgelaugten Erde die letzten Tropfen ab. Bis nach Khorat waren es ungefähr siebzig Kilometer. Ich trat aufs Gas. »In weniger als einer Stunde sind wir da«, sagte ich.
    »Und wo genau, Mr. Ignatz? Ich haben nicht beschlossen ...«
    »Sie haben hier auch nichts zu beschließen«, sagte Primavera. Sie hob eine Hand vor die Augen, als wir um eine Kurve fuhren und das grelle Sonnenlicht uns blendete. »Begreifen Sie denn nicht? Ihre Zeit ist vorbei. Ein für alle Mal!«
    »Fangt nicht schon wieder damit an«, sagte ich. Primavera nuschelte etwas auf Serbokroatisch, auf Französisch und wieder auf Serbokroatisch. Dann kramte sie ihre Sonnenbrille hervor. »Hören Sie zu, Kito, wir fahren nach Khorat, und dort werden wir Lebewohl sagen.«
    »Khorat? Ihr sagen Lebewohl, wenn ich sagen Lebewohl. Ihr arbeiten für mich. Beide.«
    »Vergessen Sie’s!«
    »Wir arbeiten für niemanden«, sagte Primavera. »Und wir vertrauen niemandem. Hab ich recht, Iggy?«
    »Aber klar!«
    »Da draußen ist nichts real. Alles ist den Bach runtergegangen. Viel zu verrückt!«
    »Fäkal!«, entgegnete ich.
    »Genau. Sollen doch alle zur Hölle fahren. Von jetzt an verlässt sich diese Puppe nur noch auf ihren Junkie!«
    Im Rückspiegel zupfte Kito an ihrem albernen T-Shirt herum wie ein schmollendes, hyperaktives Kind. »Bitte nehmen mich mit, Mr. Ignatz. Wo ich sollen hin ...«
    Primavera hatte sich die billige Sonnenbrille aufgesetzt, die Teil meiner mickrigen Beute war, und versuchte mit einer Tube Plastikzement aus dem Werkzeugkoffer des SiL ihre gähnende Kopfwunde auszufüllen. »Sie sind in keiner schlechteren Lage als wir, Madame.«
    »Im Gegenteil«, sagte ich. »Kein Polizist würde riskieren, jemanden zu verhaften, auf dessen Zahlungsliste er lange Zeit gestanden hat, ganz gleich, wie hoch die Belohnung ist, die die Pikadons ausgeschrieben haben.«
    Die Felder waren jetzt grün; wir fuhren durch ein fruchtbares Meer. »Polizei mir egal«, sagte Kito und starrte zu den Sonnenfallen auf den Reisfeldern hinaus. »Mr. Jack mir machen Sorgen.«
    »Morgenstern ist genauso hinter uns her. Da ist es das Beste, wir gehen getrennte Wege.«
    »Mr. Ignatz, bitte ...«
    Primavera, die ihre Heimwerkerarbeiten beendet hatte, strich sich den Pony in die Stirn, um ihr Werk zu kaschieren. Sie schnalzte mit der Zunge. »Immerhin hat sie uns geholfen, aus Khlong Toei rauszukommen.«
    »Ja ‒ so viel Selbstlosigkeit ist geradezu vorbildlich!«
    »Genau«, sagte Kito, »das haben ich! Mr. Ignatz vergessen immer alles ...«
    Nein, ich vergaß nichts. Primavera und ich hatten uns in einem Container versteckt, dessen Registriernummer wir schon im Seven Stars auswendig gelernt hatten. Wir hatten nicht gewusst, wohin wir unterwegs waren, doch es war uns egal gewesen. Das Gefühl von Freiheit machte uns so high, dass wir fast abhoben. Sechs Wochen später legten wir in Khlong Toei an, dem Hafen von Bangkok. Wochenlang lebten wir in den halb überschwemmten Slums der Stadt, versteckten uns vor den Behörden und ernährten uns von verfaultem Gemüse und Obst, bis ich aus Verzweiflung Primavera dazu anstiftete, ihre Opfer zu töten (»aber das machen Lilim nicht, Iggy ‒ wir leben, um zu infizieren«) und ihre Taschen zu durchwühlen. Schließlich kamen die Berichte über ausgesaugte Leichen Kito zu Ohren, und sie ließ, mit ihrer Nase für die Gewohnheiten der englischen Bijouterie , über den sensationellen »Vampir der Slums« Erkundigungen einziehen.
    Jetzt jammerte Kito immer lauter herum. »Ich

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