Tote Männer Milch (German Edition)
helfen“, fragte sie in priesterlichem Tonfall und faltete ihre Hände.
„Entschuldigen Sie vielmals Frau ... äh... Bröse.“
„Brösel!“, verbesserte Isolde verschnupft und verwies auf das farbenfrohe Schild aus Salzteig, das an der Hausmauer neben der Tür angebracht war.
Herzlich willkommen bei Isolde Brösel , versprach das Türschild. Aber Isoldes Miene wirkte weit weniger einladend. Was für ein unhöfliches Frauenzimmer, dachte Isolde. Klingelt mich wie ein Rollkommando aus dem Bett und verhohnepiepelt auch noch meinen Namen. Schleiereule! Ja, jetzt fiel Isolde der Vogel ein, nach dessen Bezeichnung sie suchte.
„Mir ist ein Malheur passiert“, kam die Frau endlich auf den Anlass ihres Besuchs.
Isolde wurde hellhörig und sah erwartungsfroh auf die Frau herab, die sich nun auf der untersten Stufe der Haustreppe herumdrückte.
„Ich habe mich ausgesperrt! “
„Wie das?“, hakte Isolde eifrig nach.
„Nun, mein Mann, der ist ganz früh aus dem Haus und hat nicht gemerkt – hahaha – dass ich mit meinem Hund im Garten Gassi war. Er hat also die Tür zugeklappt – hahaha – und na ja – hahaha – ich habe keinen Ersatzschlüssel.“
Vergeblich versuchte Isolde, in ihrem Gesicht einen Zug von Anteilnahme unterzubringen, aber da die Dame ihren Redeschwall immer wieder mit einem aufgesetzten Lachen ausschmückte, beschloss auch Isolde das Malheur als eine witzige Angelegenheit zu betrachten.
„Hahaha“, stimmte Isolde mit ein.
„Ach übrigens…“, die Dame griff sich affektiert an die Stirn. „Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Doris Maibach, Doktor Doris Maibach, ich bin Ihre neue Nachbarin. Wir wohnen in der Villa nebenan, direkt hinter Ihrer prächtigen Thujenhecke. Vielleicht haben Sie uns schon mal gesehen?“
Isolde hätte sich beinahe mit einem beherzten Nicken verraten.
„Nein habe ich nicht“, sagte sie gleichgültig und kratzte sich ausgiebig am Hinterkopf.
„Ich habe in Ihrem Garten die Leiter gesehen“, unterbrach Frau Maibach das peinliche Schweigen und deutete mit ihrem Arm in Isoldes Garten hinüber. Sie bemerkte den inquisitorischen Blick nicht, der ihr blondiertes Haupt streifte.
„Ach“, sagte Isolde spitz, „haben Sie sich schon bei mir ein wenig umgeschaut?“
Frau Maibach fuhr sich verunsichert durch ihre stoppelkurzen Haare. Sie spürte den Missklang, der in Isoldes Stimme mitschwang und versuchte, die Unstimmigkeit auszugleichen.
„Sie haben einen so wunderschönen Garten, Frau Bröse, ich bin dermaßen hingerissen, einfach traumhaft...“
Maibach achtete darauf, dass Gestik und Mimik in Einklang mit ihrer schwärmerischen Wortwahl standen.
„...einfach wie im Paradies...“, schob sie noch tief bewegt nach, wobei sie sich eines verträumten Gesichtsausdrucks befleißigte und entsagungsvoll mit ihren Schultern zuckte.
Natürlich hielt Isolde die entgleiste Entzückung, die ihr Gegenüber dem sonnengebräunten Gesicht aufzwang, für völlig übertrieben. Aber auch Isolde war vor diesem altbewährten Stilmittel nicht gefeit. Und wenn es um ihren Garten ging, fiel auch sie der Schmeichelei zum Opfer. So genoss sie den Schauer der Freude, der über ihr Ego schwappte und die argwöhnischen Schlieren von ihrem Gesicht wusch.
„Was wollen Sie denn nun mit meiner Leiter?“, lenkte Isolde ein.
Erleichtert über Isoldes wieder gewecktes Interesse, kam die Maibach sogleich zur Sache.
„Ich würde sie mir gern ausleihen, damit ich ins obere Stockwerk hinaufklettern kann. Bitte, kommen Sie, ich zeig’s Ihnen.“
„Moment!“
Isolde tauschte rasch ihren Bademantel gegen ein kariertes Schürzenkleid und ihre Pantoffeln gegen ein Paar leichte Slipper aus, bevor sie der ungeduldigen Handbewegung ihrer Befehlshaberin folgte. Beide liefen in Isoldes Garten.
„Schauen Sie, da oben! Sehen Sie das Fenster?“
Frau Maibach zeigte auf das große Rundbogenfenster im obersten Stockwerk ihrer Villa.
„Es ist offen“, hielt Isolde das Offensichtliche fest.
„Ja, eben. Und schauen Sie, dort hinten links, wo die Hecke aufhört, da ist ein kleiner Spalt. Da könnten wir mit der Leiter hindurch und bräuchten nicht außen herum zu laufen.“
Isolde sah den Spalt, und vor allem sah sie ihre Blumenbeete, die sich so gar nicht für einen Transportweg anboten.
„Da trampeln Sie mir ja meine ganzen Blumen nieder“, maulte Isolde und begutachtete misstrauisch das unwegsame Gelände.
„Aber nein, ich pass schon auf“, wurde ihr
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