Tote Männer Milch (German Edition)
renommiertes Antiquariat geführt „Antiquariat Spinnrad“, wenn Ihnen das vielleicht etwas sagt. Ich habe es damals von dem Besitzer Herrn Seidelweiss...“
„Und wo arbeiten Sie jetzt?“, fiel Frau Maibach ins Wort.
„Ja, also jetzt, jetzt arbeite ich in der Stadtbücherei in Landshut. Dort haben wir übrigens einen eigenen Kaffeeautomaten, so ein modernes Gerät, mit dem man alle möglichen Kaffeesorten kochen kann.“
„Ach, was sie nicht sagen…“
„Wann hatten Sie denn gedacht?“, drängte Isolde.
„Was?“
„Mich zu besuchen.“
„Ach so, ja äh ... demnächst. Sie sehen ja, ich habe noch einiges um die Ohren“, gab die Maibach zurück.
Isolde machte eine belanglose Handbewegung.
„Das ist doch schnell erledigt. Kommen Sie, ich helfe Ihnen...wo ich doch schon mal da bin. Außerdem habe ich heute meinen freien Tag.“
„Aber Frau Brösel, das kann ich Ihnen doch nicht zumuten“, warf die Maibach routinehalber ein und hüpfte für ihr elegantes Schuhwerk erstaunlich geschwind beiseite, um Isolde nicht im Weg zu stehen, denn die hatte sich bereits den ersten Karton geschnappt.
„Wohin?“, fragte Isolde tatendurstig.
„Warten Sie, ich zeig’s Ihnen!“
Die Maibach stöckelte die weiße Marmortreppe hinauf.
„Ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet“, sagte sie. Eine Bemerkung, die sie beiläufig über ihre Schulter spuckte.
„Ein kleiner Gefallen würde schon reichen!“, sagte Isolde.
Die Maibach blieb unvermittelt stehen, so dass Isolde mit dem Karton leicht ins Taumeln geriet und mit dem rechten Bein um ein Haar den hinteren Treppenabsatz verfehlt hätte.
„Und der wäre?“ Maibachs Augenbrauen schnellten in die Höhe.
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie gern als Neukundin für einige Versandhauskataloge werben. Ich bekomme da nämlich eine Prämie, müssen Sie wissen.“
Mit dem Blick einer Insektenforscherin auf ein besonders wunderliches Kerbtier blickte die Maibach auf Isolde herab.
Was für eine armselige Krämerseele, schien sie zu denken und lächelte.
„Aber sicher“, sagte sie, „wenn ich Ihnen damit eine Freude bereiten kann.“
Isolde lächelte ebenfalls, weil ihr auf Anhieb fünfzehn Versandhäuser einfielen, bei denen sie wertvolle Prämien einheimsen konnte. Als erstes, werde ich mir den
Design-Wasserkocher bestellen, dann das Aluguss-Topfset, die universelle Küchenmaschine und die digitale Designküchenwaage wäre auch nicht schlecht, und die Edelstahlfritteuse, ganzganzwichtig. Vielleicht noch die Funkwetterstation...
„Hier entlang“, unterbrach Frau Maibach Isoldes Konsumrauschphantasie.
Mit Schwung öffnete sie eine zweiflüglige Tür, die in ein geräumiges lichtdurchflutetes Zimmer führte, in dessen Wände Regale aus Kirschholz eingelassen waren.
„Übrigens, können Sie mich ruhig Isolde nennen.“
„Wie schön ... dahin bitte!“
Isolde hievte den Karton, der mit einem großen A gekennzeichnet war, auf einen langgestreckten Holztisch, der sich in der Mitte der Bibliothek befand und blickte sich ehrfürchtig um. Ihr Blick blieb verträumt an dem offenen Kamin hängen, vor dem bereits ein kostbarer indischer Teppich lag, auf dem sich zwei antike Ledersessel gegenüber standen. Weit weniger entzückt war Isolde von dem Gemälde, welches über dem Kamin hing und eine nackte, ausgemergelte Frau mit seltsam verdrehten Augen und gespreizten Schenkeln darstellte. Wahrscheinlich ein „Nolte“, der hat ja immer solche Sachen gemalt, dachte Isolde und wandte sich wieder der gemütlichen Sitzecke zu. Aber ihr blieb keine Zeit, sich ausgiebiger in dem Gedanken zu suhlen, bei einem Glas Sherry am knisternden Feuer zu sitzen und in einem der wertvollen Bücher zu schmökern, die sich ihrer Meinung nach in den Kartons verbargen. Die Herrin dieser Begehrlichkeiten war schon längst die Treppe hinabgeeilt und wartete sicher händeringend auf Isoldes Hilfe. Tatsächlich hatte sich die Maibach zwischenzeitlich in die logistischen Anforderungen vertieft, die eine hausinterne Umstrukturierung erforderte. Die Kartons waren in alphabetischer Folge aufgereiht, handlich aufbereitet, so dass der Abtransport nur noch mit einem bestätigenden Nicken ihrerseits abgesegnet werden musste. Der Ablauf erfolgte reibungslos und unterlag den obligatorischen Gesetzmäßigkeiten. Jedes Mal, wenn Isolde nach einem neuen Karton griff, wurde sie von der Maibach gefragt: a) ob sie ihr nicht helfen könne und b) ob sie nicht eine kleine Pause einlegen
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