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Tote Männer Milch (German Edition)

Tote Männer Milch (German Edition)

Titel: Tote Männer Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Malina
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trügerischer Unschuld von ihrem Kopf herabbaumelten. Oder der Mann war einfach ein hinterhältiges Schwein. Isolde biss die Zähne zusammen. Die Kripobeamtin hatte sich gerade einer ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht gestrichen, als Maibach plötzlich seinen Arm ausstreckte und energisch in Isoldes Richtung deutete. Isolde zuckte zusammen, als hätte man ihr mit dem Knüppel auf den Kopf geschlagen. Sie taumelte vom Stuhl und polterte zu Boden. Auf allen Vieren kroch sie wie ein geprügelter Hund in den äußersten Winkel des Dachbodens. Sie presste sich mit dem Rücken an die Wand, winkelte die Beine an, vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und begann wimmernd den Oberkörper vor und zurück zu wiegen.
    „Oh Gott, er hat mich verraten, gleich kommen sie mich holen“, haderte sie, während sie innerlich auf das bevorstehende Sturmläuten an ihrer Tür lauerte.
    Isolde war gedanklich dermaßen in den Ablauf ihrer bevorstehenden Festnahme vertieft, dass sie die große fette Spinne nicht bemerkte, die zielstrebig in den Halsausschnitt ihres Kleides hineinspazierte. Isoldes Haut war nicht mehr sensibel genug, strömte doch das eine oder andere Glas Sherry mit durchs Blut, als dass sie das Kitzeln hätte wahrnehmen können. Die Angst lähmte sie noch grausamer. Man hätte ihren Rücken mit einem Brandzeichen versehen können, Isolde hätte nur das Zischen gehört. Es waren einzig und allein ihre Ohren, die wie hochempfindliche Sensoren auf jedes winzige Geräusch reagierten. Isolde glaubte sogar, das Nichts zu hören. Nach einer Stunde des reglosen Bangens, regte sich in Isolde eine zaghafte Ungeduld.
    „Wo bleiben die denn?“, brummte sie missmutig und kroch ächzend aus ihrer Ecke hervor.
    Wie eine Katze um den heißen Brei, schlich sie mehrmals um den Stuhl herum, bis sie es wagte hinaufzusteigen, um nach dem Rechten zu sehen. Bevor sie den Kopf emporstreckte, lauschte sie. Nichts. Alles war still. Isolde spähte hinaus. Das Grundstück war leer. Das Schwimmbad war mit einem Absperrband abgegrenzt. Das waren die Spurenschnüffler, dachte Isolde und verzog verächtlich das Gesicht. Die Tote war verschwunden, sicherlich verschleppt, ins gerichtmedizinische Institut, mutmaßte Isolde weiter, wo sich der dritte Mediziner des Tages mit Frau »Doktor« Maibach befassen würde, der Pathologe. Aber wo war ihr Schützling, der Doktor Maibach? In Untersuchungshaft? Aber wieso er? Hatte er nicht mit verräterischem Elan in ihre Richtung gezeigt? Isolde überlegte angestrengt. Ich dämlich Pute, dachte sie und gab sich einen erkenntnisreichen Klaps auf die Stirn. Ich habe die Geste nur falsch interpretiert. Er hat mit dem Arm zwar in meine Richtung gedeutet, aber das Schwimmbecken gemeint. Ja, genau so war es, schlussfolgerte sie erleichtert und kratzte sich beiläufig am Rücken, weil sie ein Kitzeln verspürte. Sie verließ den Dachboden und ging zurück ins Wohnzimmer. Ein paar Schritte lief sie noch unschlüssig umher, bis sie sich zur Ruhe zwang und auf der Couch Platz nahm. Sie genehmigte sich noch einen Sherry und musterte verwundert den Hund, der im Schlaf phantasierte und knurrende Laute von sich gab. Wahrscheinlich träumt er, dass er ein richtiger Hund wäre, ein Held, der sein Frauchen das Leben rettet, dachte Isolde amüsiert und prostete ihrem Mann Herbert zu. Das Abbild des Verblichenen steckte in einem Bilderrahmen, dessen Glas längst vielfach gesprungen war.
    „Prost, mein Seewolf!“, sagte sie.
    Als ihr Mann jünger war, sah er tatsächlich aus wie Jack Londons Kapitän Larsen aus dem Seewolf . Allerdings benahm er sich wie van Hayden, den der Seewolf auf seinem Schiff als Küchenhilfe versklavt hatte. Isolde konnte es nicht ertragen, wenn Herbert sich freiwillig anbot, ihr in der Küche beim Kartoffelschälen zu helfen. Sie fand derlei unmännlich. Viel lieber hätte sie es gesehen, wenn er mit der bloßen Hand eine rohe Kartoffel zerquetscht hätte. Nach außen hin, tat Isolde jedoch so, als hätte sie einen richtigen Seewolf zu Hause. Ohne dass es Herbert wusste, hatte sie zu Lebzeiten des seligen Herbert Gerüchte in Umlauf gebracht, mit denen sie sich vor allem bei ihrer weiblichen Zuhörerschaft, ehrfürchtige Blicke einheimste. So dichtete sie Herbert die Trinkfestigkeit eines Seemanns an. Unterstellte ihm eine mysteriöse Vergangenheit. Deutete mit einem Augenzwinkern seine zügellose Leidenschaft und mit einem ratlosen Schulterzucken seine ausdauernde Potenz an. In Wirklichkeit war Herbert ein

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