Tote Männer Milch (German Edition)
War da nicht was? Eine Bewegung, ein Zucken, an Händen und Füßen?
4 . Kapitel
Isolde schmeckte den süßlich-metallischem Geschmack von Blut auf ihren Lippen. Sie hatte sich die Unterlippe aufgebissen während sie schreckentstellt das Opfer anstarrte, das völlig unerwartet aufgetaucht war und gurgelnd nach Sauerstoff rang. Isolde benötigte einige Sekunden, bis sie ihre Fassung zurück gewann und ihren Gedanken Folge leisten konnte.
Einschreiten und dem Desaster ein Ende bereiten, hieß die gedankliche Order. Und zwar schnell!
Ich könnte die automatische Abdeckabrollung des Schwimmbeckens in Gang setzen, schoss ihr durch den Kopf und sie wieselte los. Sie hatte den Daumen schon startbereit auf den roten Knopf gelegt, als sie den Wasserkescher erblickte. Der stand unmittelbar in Reichweite und ließ sich ihrer Meinung nach flexibler handhaben. Der Kescher besaß einen robusten Stiel aus Metall und sollte sich bestens für eine schnelle Lösung eignen. Aber Isolde unterdrückte den Impuls, Frau Maibach damit auf den Kopf zu schlagen. Es galt, verdächtige Spuren zu vermeiden und so beschränkte sich Isolde darauf, das geschwächte Opfer mit der Stange vom Beckenrand fernzuhalten und Frau „Doktor“ Maibach mit der hilfreichen Stiel-Verlängerung unter Wasser zu drücken. Breitbeinig und mit nach vorn gebeugtem Oberkörper, verschaffte sie sich einen sicheren Halt, damit sie nicht selbst ins Wasser fiel. Isolde war Nichtschwimmerin. Ein Manko, das sich in dieser inflagranten Situation womöglich als Rettung erweisen könnte. Falls man mich jetzt auf frischer Tat ertappen würde, spekulierte sie kühn, könnte ich das Ganze als Rettungsversuch auslegen. Isolde verkniff sich das Schmunzeln, das ihre zusammen gepressten Lippen kitzelte. Die Situation war todernst. Sie musste sich konzentrieren, Die Maibach im Auge behalten. Schließlich bestand die Gefahr, dass das vor ihr schwimmende Stück Menschenfleisch urplötzlich übermenschliche Kräfte entwickelte und nach der Metallstange griff, sich daran festkrallte und Isolde dadurch in Mitleidenschaft zog.
Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, rief sie sich ins Gedächtnis. Ein unbehaglicher Gedanke, der Isolde die Schweißperlen auf die Stirn trieb. Um wie viel einfacher wäre es doch, wenn die Frau im Moor stecken würde, dachte Isolde. Aber im Gegensatz zu einem Mooropfer, tauchte die zappelnde Hand immer wieder an der Wasseroberfläche auf.
Isoldes Beine zitterten vor Anstrengung und allmählich wurde ihr schwarz vor Augen. Doch nach einer schweißtreibenden Minute schien die Gefahr gebannt. Der böse Engel kapitulierte und tauchte in die Katakomben der Hölle ab. Schwer atmend stützte sich Isolde auf den Metallstab und starrte aufs Wasser. Ihr Blick verlor sich in den rötlichen Schlieren, die sich langsam im plätschernden Wasser auflösten.
Wieso bewegt sich das Wasser noch, sinnierte Isolde argwöhnisch. Ein kaum wahrnehmbares Fiepen schien zu antworten.
„Grundgütiger, dich hätte ich ja beinahe vergessen! Warte, gleich hat dein Leiden ein Ende!“, rief sie dem verängstigten Hund zu, der verzweifelt mit seinen Pfötchen an den Fliesen herumscharrte.
Ein aussichtloses Unterfangen, das bereits das Interesse einiger aufmerksamer Beobachter auf sich gezogen hatte.
Isolde war zwischenzeitlich mit dem Kescher an die Stirnseite des Schwimmbeckens geeilt, um ihn wieder an den ursprünglichen Platz abzustellen, direkt neben dem roten Signalknopf, der die Abdeckung des Schwimmbeckens aktiviert.
„Hoffentlich geht das Ding jetzt nicht los“, faselte sie gepresst, wobei sie mit äußerster Behutsamkeit den Knopf mit einem Taschentuch säuberte, welches sie bei sich trug. Anschließend nahm sie sich die Metallstange des Keschers vor, um dort ebenfalls ihre Fingerabdrücke zu beseitigen.
So, aber jetzt nichts wie weg, dachte sie, nahm die Kamera zur Hand und wollte davon wetzen. Isolde hatte den schmalen Spalt am Ende der Hecke fast erreicht, als ihr der Hund wieder einfiel, sie lief zurück.
Griffsicher zog sie das erschlaffte Tier an seinem praktischen Bauchgurt aus dem Wasser. Der Hund ergab sich mit klappernden Zähnen seinem Schicksal und ließ sich von Isolde wie ein leichtes Gepäckstück davontragen. Sehr zum Leidwesen der beiden Krähen, die sich ihrer ausgespähten Beute beraubt fühlten und nun unruhig auf dem Ast der alten Buche mit ihren Flügeln flatterten. Isolde bemerkte die beiden
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