Tote Männer Milch (German Edition)
Weichei, das sich erst gewissenhaft abkühlte, bevor er in den See sprang. Nach einer Weißweinschorle bereits glasige Augen bekam und unter immensen Potenzproblemen litt.
Isolde blickte in ihr Glas und summte abwesend die Titelmelodie des Seewolfs von Hans Posegga vor sich hin, bevor sie dem Konterfei ihres Mannes aufs Neue zuprostete.
„Prost du elender Hurenbock! Du einfältiger Liebesnarr … dudu Kartoffelschälschwuchtel…“
Sie nahm einen tiefen Schluck, schüttelte sich und lächelte leichtherziger als ihr zumute war.
„Hast du eigentlich gewusst“, sie unterbrach sich schluckend, „dass dir dein Flittchen, während du vom Felsen in den Abgrund gesegelt bist…sozusagen in der Luft hingst, eine SMS geschickt hat. Du Trottel hattest dein Handy im Hotelzimmer vergessen.“
Isolde kicherte hämisch. „Und weißt du, was sie dir geschrieben hat? Na, he, willst du’s wissen?“
Isolde lehnte sich mit einem konspirativen Schmunzeln in die Polster zurück.
„Sie hat geschrieben, dass sie dich liebt und im Siebten Himmel schwebt. Ihr seid sozusagen gleichzeitig geschwebt. Das nenne ich Seelenverwandtschaft!“
Isolde drehte nervös das Glas zwischen den Fingern und versuchte, ein schleimiges Husten zu unterdrücken.
„Ich hab das Handyding dann sicherheitshalber entsorgt, die Bullen mussten ja nicht unbedingt erfahren, dass du mich betrogen hast, dafür muss man sich ja schämen…außerdem geht das niemanden was an, das ist Privatsache“, fügte sie trotzig hinzu.
„Sie hat dann übrigens versucht, dich in deiner Kanzlei anzurufen. Wenn ich dran gegangen bin, hat sie gelauscht, dann aufgelegt. Ich wusste genau, dass sie es war. Irgendwann habe ich ihr gesagt, dass du ausgezogen bist und ihr höflichkeitshalber deine neue Adresse mitgeteilt…“
Isolde richtete sich wieder auf und strich geflissentlich über die Fransen der Tischdecke.
„Und soll ich dir noch was sagen?“
Isoldes Stimme klang leise und gefasst.
„Seid deinem Tod bin ich unfähig geworden normal weiterzuleben … das Gewohnte weiterzuleben. Verstehst du? Ich kann keine Bücher mehr lesen … ich lese unsere Geschichte. Ich kann keine Musik mehr hören … es ist die Begleitmusik unserer Tragödie. Ich treffe mit Pfeil und Bogen auch nicht mehr ins Schwarze … ich ziele auf dich!“
5. Kapitel
Isolde erinnerte sich an ihren letzten gemeinsamen Urlaub, den sie in Adersbach in der Tschechischen Republik verbrachten. Gemeinsam saßen sie im Frühstücksraum einer gemütlichen Herberge am Adersbacher See . Obwohl es draußen regnete, bestand Herbert darauf, eine Bergwanderung zum Teplitzer Felsen zu unternehmen. Schweigend saßen sie sich gegenüber, rührten mit den Löffeln synchron in ihren Kaffeetassen und blickten missmutig zum Fenster hinaus. Zeitgleich leckten sie den Löffel ab, legten ihn auf die Untertasse zurück und bissen im gleichen Moment in ihr Marmeladenbrötchen. Herbert hielt kurz inne, weil er es vermeiden wollte, mit Isolde auch noch im gleichen Takt zu kauen. Isolde fiel diese Unstimmigkeit sofort auf.
„Was ist? Schmeckt’s dir nicht?“, wollte sie wissen.
Herbert legte sein Brötchen wieder auf den Teller zurück. Er griff nach dem Orangensaft, zögerte jedoch, als Isolde das Gleiche tat. Mit dem Kinn deutete Isolde auf Herberts Müslischüssel.
„Da sind Rosinen drin“, stellte sie bestimmt fest, „die magst du doch gar nicht – da hast du dich wohl vergriffen?“
Herbert nickte. Genauso, wie ich mich bei dir vergriffen habe, dachte er und blickte Isolde resigniert an.
„Was guckst du denn so komisch? Ist dir schlecht?“, erkundigte sich Isolde.
„Ich habe nur nachgedacht“, antwortete Herbert bedeutungsschwer.
„Über was denn?“, drängte Isolde und verwies beiläufig auf den Speisrest, der an Herberts Mundwinkel klebte.
„Über meinen Fehlgriff“, erwiderte Herbert und lachte gekränkt.
„Ich dachte schon es wäre was Ernstes“, gab Isolde kauend zurück, „aber selber schuld, du hättest mich ja um Rat fragen können, ich hätte dir schon gesagt, dass die Müslisorte nichts für dich ist.“
Isolde kratzte sich am linken Oberarm, Herbert unterdrückte den Juckreiz, den er ebenfalls an seinem Arm verspürte.
„Schön wie wir hier sitzen“, sagte Isolde nach einer kleinen Pause.
Herbert sah sie an und dachte: Wie du mich ankotzt.
„Nur Schade, dass es regnet“, fuhr Isolde unbeschwert fort, „vielleicht sollten wir die Bergwanderung
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