Tote Männer Milch (German Edition)
Marotte verdächtig vor“, ließ Frisch nicht locker. „Die Obduktion hat doch ergeben, dass die Maibach 2,3 Promille im Blut hatte, ihre Kopfwunde stammt zu 98 Prozent von einem Aufprall, es wurden keine weiteren Spuren gefunden, die auf Fremdeinwirkung hindeuten, es wurden lediglich Restbestände von Kokosöl sichergestellt. Die Frau war stockbetrunken und ist ausgerutscht. Es war ein Unglücksfall, unsere Arbeit ist damit abgeschlossen.“
„Sicher“, entgegnete Frau Wagenknecht matt. Doch sie klang nicht überzeugt.
10. Kapitel
Isolde traute ihren Augen kaum. Paul und die fremde Frau saßen, einträchtig miteinander schwatzend, auf der Terrasse seines Hauses und tranken Kaffee. Isolde hielt den Feldstecher fest umklammert, trotzdem zitterten ihre Hände. Sie atmete flach und ihr Herz tickte wie eine Zeitbombe. Bis jetzt hatte sie immer noch keine Ahnung, wer dieses dahergelaufene Luder war. Dabei hatte sie sich um die Aufklärung des Sachverhalts bemüht. Gleich heute Morgen hatte sie bei der Landshuter Kriminalbehörde angerufen und Kriminaloberhauptkommissar Frisch zu sprechen verlangt. Aber erst war er nicht auffindbar, dann in der Mittagspause, und eine Stunde später, in einer wichtigen Besprechung. Isolde wurde den Verdacht nicht los, dass man sie abwimmeln wollte und hatte es nur ihrer Hartnäckigkeit zu verdanken, dass sie Kommissar Frisch dann doch noch an die Strippe bekam. Aber anders als erwartet gab sich Frisch sehr bedeckt, was die „verdächtige Person“, wie sich Isolde ausdrückte, betraf. So musste sie sich mit der lapidaren Auskunft zufrieden geben, dass die Identität der Frau geklärt und alles in Ordnung sei.
Nichts ist in Ordnung! Mit dieser beunruhigenden Überzeugung belastet, buckelte Isolde den Dachboden hinauf und spähte von dem unheilschwangeren Gefühl begleitet, zur Dachluke hinaus.
„Wer ist sie?“, murmelte Isolde. Sie ließ das Fernrohr sinken, ihr war schwindelig und schlagartig kotzübel zu Mute. Kalter Schweiß glitzerte auf ihren Schläfen. Auf dem Dachboden war es brütend heiß. Die Nachmittagssonne brannte erbarmungslos aufs Dach, aber Isolde fröstelte, so als gäbe das Frieren der Situation einen Sinn. Bis jetzt hatte sie gehofft, dass es sich bei der Unbekannten um eine engere Verwandte der Toten handeln könnte. Vielleicht eine von der Sorte, die ihre Besitzansprüche geltend machen wollte. Und nur allzu gern, hätte sie an dieser Vermutung festgehalten. Aber diese quirlige, rothaarige Frau löste in Isolde ein nicht greifbares Gefühl der Bedrohung aus. Isolde vermochte dieses Gefühl selbst nicht in Worte kleiden. Sie spürte nur die Begleiterscheinung, und die hatte einen Namen – Angst. Ja, sie fürchtete sich vor dieser Frau. Sie hatte Angst, dass diese Fremde ihre Pläne durchkreuzen könnte. Ihr den Mann, samt Hoffnung und Zukunft raubt. Hatte sie nicht schon damit angefangen? Indem sie mit Paul, „ihrem“ Paul, in trauter Zweisamkeit dort unten am Tisch saß? Da, wo eigentlich ihr Platz gewesen wäre? Hatte diese Fremde nicht schon viel zu viele Worte von seinen zauberhaften Lippen geraubt, viel zu viele Blicke an sich gerafft, sich allerlei Berührungen erschlichen?
Oh Göttinnen der Liebe, Berührungen!
War das nicht schon der Beginn vom Ende? Heißt es nicht: Wehret den Anfängen? Isolde versuchte, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie keine Hoffnungen und Träume mehr hätte. Was bliebe dann übrig vom Leben – vom Überleben? Nichts, dachte sie, nichts weiter als nichts! Mit dieser Einsicht verließ Isolde den Dachboden, ging ins Wohnzimmer und wählte mit steifem Finger Pauls Nummer.
„Maibach!“
„Hallo Paul“, meldete sich Isolde mit freundlicher Zurückhaltung.
„Hallo Isolde!“ Paul klang gut gelaunt, beinahe beflügelt.
Aber was war der Grund? Ihr Anruf oder der Besuch der rothaarigen Hure? Isolde hatte nicht den nötigen Spielraum, sich darüber weitere Gedanken zu machen. Paul wollte den Grund ihres Anrufs wissen. Sie musste sich auf das Gespräch konzentrieren. Nicht seiner wohltuenden Stimme hinterher lauschen. Das Gesagte verstehen. Bei seinem Tonfall auf Zwischentöne achten. Behält er seinen beschwingten Tonfall bei? Oder verfällt er in jene unverbindliche Höflichkeit, mit der man sich seinen Gesprächspartner auf Distanz hält?
„Ich wollte wissen wie’s dir geht, und vor allem, wie dein heutiges Gespräch bei der Kripo verlaufen ist, du hattest doch heute einen Termin.“
„Im
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