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Tote Männer Milch (German Edition)

Tote Männer Milch (German Edition)

Titel: Tote Männer Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Malina
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hinterherjagten, die bereits angekommen waren, in den eigenen vier Wänden, die Ruhe und die ersehnte Nestwärme versprachen.
    Auch ein Brummifahrer namens Josef Vilsmeier, der eigentlich nur auf den kurzen „Sepp“ hörte und sich als Kapitän der Landstraße begriff, konnte es kaum erwarten, zu Hause anzukommen. Mit ein paar Stundenkilometern zu viel und einer Portion Achtsamkeit zu wenig preschte er mit einem Betonmischer die Wittstraße entlang. Das Gerät hatte vom Fuhrhof seines Chefs gemusst, lieber fuhr er Lkw statt dieser grauverschlammten Dreckschleuder. Gedanklich hielt Sepp seine liebe Frau Elena in den Armen, die daheim mit seinem Lieblingsgericht auf ihn wartete. Er sehnte sich nach dem Duft ihrer Haare, dem gebratenen Rollbraten mit Rotkohl und selbst gemachten Klößen und er freute sich auf die gemeinsame Nacht. Auf Elenas weichen Busen, auf ihre warme Haut, auf die Liebe. Und bald, vielleicht in 15 Minuten, wenn ihm die Ampeln gnädig gestimmt sein sollten, dann erfüllten sich seine Sehnsüchte, dachte er. So fuhr er gutgelaunt dahin, warf einen mitfühlenden Blick auf die Fußgänger, die im Regen wie Windhunde in ihren Startlöchern darauf lauerten, dass die Fußgängerampel endlich auf Grün schaltete. Isolde stand zwischen ihnen. Vor ihr eine Frau, mit zwei großen Hunden an der Leine. Aber Isoldes Blick war wie hypnotisiert auf den Hinterkopf dieser Frau gerichtet. Auf diese Frau mit den aufgeblähten roten Locken. Deren Haarspange, den bedrohlichen Glanz einer Klinge in den Moment einbüßte, als Isolde ihren inneren Kampf beendet hatte. Die rothaarige Unbekannte stolperte plötzlich auf die Straße. Vielleicht wäre es Sepp in letzter Sekunde noch zu bremsen gelungen, wenn er nicht abgelenkt auf die Passanten geblickt hätte. Zu spät. Er hatte das Holpern gespürt. Die Entsetzensschreie der Leute gehört. Sepp hätte nicht mehr zu sagen gewusst, wie lange er mit dem Kopf auf seinem Lenkrad lag. Für ihn stand die Zeit still. Das Lebendige erstarb, das Tote wurde lebendig. Der Wahnsinn zupfte mit spielerischer Gelassenheit an seinem Ärmel. Sein Verstand verlor sich im rauchgeschwängertem Dunst der Betonmischer-Kabine. Eine freundliche Ohnmacht wäre für ihn die rettende Lösung gewesen, aber die kleine Schwester des Todes erwies sich als hartherzig. Ließ sich einfach nicht blicken. Auch war nicht zu erkennen, dass sich irgendjemand um ihn kümmerte. Das Interesse galt einzig und allein der toten Frau, die mit verrenkten Gliedern und zerquetschter Kopfhälfte unter dem schweren Betonmisch-Kraftwagen lag, dessen Kühlerhaube jetzt im Regen dampfte – „Seiner“ totgematschten Frau. Das war Sepps letzter Gedanke, der sich einfach nicht in Luft auflöste.
    Mehr und mehr Schaulustige streunten wie Bluthunde um die Unglücksstelle, um dem Grauen so gefühlsecht wie möglich beizuwohnen. Kaum einer riskierte einen zweiten Blick auf Isolde, die ein paar Meter abseits mit gekrümmten Rücken an einem Baum stand und sich erbrach. Eine kotzende Frau eben – was ist das schon. Auf eine kotzende Mörderin wäre wohl niemand gekommen. Entsprechend aussichtslos gestalteten sich die polizeilichen Ermittlungen. Die meisten der Zeugen, die unmittelbar am Tatort anwesend waren, konnten sich nur an die großen und sehr unruhig wirkenden Hunde sowie an ein auffälliges Hupen erinnern. Vermutlich hatten sich die Hunde erschreckt und die Halterin auf die Straße gezerrt, war der Tenor der meisten Zeugen. Alle anderen Aussagen setzten sich aus waghalsigen Spekulationen und aberwitzigen Hirngespinsten von Trittbrettfahrern zusammen. Der Rest bestand aus anonymen Anrufern, deren Glaubwürdigkeit, genau so viel wert war wie das Stück Käse für die tote Maus. Man fand lediglich heraus, dass es sich bei der Toten um Lydia Kaufmann handelte, die bereits wegen Ladendiebstahl und Zechprellerei aktenkundig war. Die Polizei tappte im Dunkeln, fischte im Trüben, und der Regen verwischte alle Spuren. Die Ermittlungen wurden vorübergehend eingestellt. So blieb auch Josef Vilsmeier von einer weiteren Befragung verschont. Die erste, erwies sich bereits als unbrauchbar, da Vilsmeier unter Schock stand. Eine zweite schien nach Lage der Dinge ebenso zwecklos. Kurz, er war nicht mehr ganz beieinander, wie man sich bei der Behörde vorsichtig auszudrücken versuchte. Sepp war krankgeschrieben, lag zu Hause in seinem Bett und starrte seit Tagen unentwegt die Zimmerdecke an.
     
    Auch Isolde Brösel ging es den Umständen

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