Tote Pracht
unsere eigene Welt geschaffen — und keine schlechte.«
»Miss Ross«, sagte ich nach einem
Moment, »bitte erzählen Sie mir etwas über Ihre Beziehung zu Hilderly. Es ist
wichtig — «
»Muß ich das, um meinen Anspruch auf
die Erbschaft zu beweisen?«
»Nein. Es ist klar, daß sie die Libby
Heikkinen sind, die er in seinem Testament genannt hat, und seine Wünsche
werden ausgeführt.«
»In dem Fall möchte ich nicht darüber
sprechen. Das ist lange vorbei — sehr lange, — und viel zu traurig.«
Ich schlug ein anderes Thema an. »Da
ist noch ein vierter Begünstigter, den ich noch nicht gefunden habe — David Arlen
Taylor. Können Sie mir sagen, wo...«
»D. A.?« Wieder dieser Ausdruck von
Überraschung in ihrem Gesicht; dann kehrte das bittere Lächeln zurück. »Sicher
kann ich Ihnen das sagen. Er ist da, wo er die letzten fünfzehn Jahre gelebt
hat, wo er bis zu seinem Tod leben wird — drüben auf der anderen Seite der
Bucht.«
»Der Tomales-Bucht?«
»Ja. Seine Familie besitzt ein
Restaurant und eine Austernzucht, zwei oder drei Kilometer oberhalb von Nick’s
Cove.«
»Ist er ein Freund von Ihnen?«
Sie schien nachzudenken. »Wir sind...
so etwas in der Art. Ich kam ursprünglich hierher, weil ich glaubte, ich könnte
D. A. helfen. Ich brauchte vier verdammte Jahre, um zu erkennen, daß ihm nicht
zu helfen war. Dann heiratete ich Glen in San Francisco, der dort wartete, bis
ich mich entschieden hatte. Seit Jahren lebe ich nun schon so. Aber ich bin
immer noch für D. A. da. Er weiß, wo er mich finden kann, wenn er mich
braucht.«
»Was ist mit ihm los, daß er Hilfe
braucht?«
Sie zog die untere Schublade des
Schreibtisches heraus und stellte ihre Füße darauf. Offensichtlich war ihr beim
Thema Taylor wohler als bei Hilderly oder Ruhl. »D. A. ist drogenabhängig«,
sagte sie. »Er nimmt alles, was die Wirklichkeit verschwimmen läßt. Meistens
Alkohol, Hasch, Tabletten oder Crack, wenn er etwas in die Finger bekommt. Koks
und anderen Stoff, wenn er es sich leisten kann.«
»Wissen Sie warum?«
»Ich weiß es, aber es lohnt nicht,
darüber zu reden. In gewisser Weise sind es die gleichen Gründe, die mich dazu
bewogen haben, hier draußen allein mit dem Wind und meinen Erinnerungen zu
leben. Aber ich habe zumindest versucht, in die Welt zurückzukehren — wenigstens
eine Zeitlang. D. A. hat es nicht einmal probiert.«
»Was meinen Sie mit ›in die Welt
zurückkehren?‹«
»Das ist nur so eine Redensart. Es ist
komisch mit D. A.: Er hat vor etwa sechs Jahren geheiratet. Eine nette Frau.
Viel jünger als er. Sie ist eine Miwok — wie er auch, zum Teil. Hier in der
Gegend leben viele Indianer.« Sie hielt inne und musterte mein Gesicht. »Jetzt,
da wir drüber reden, fällt mir auf, daß Sie auch etwas Indianerblut in sich zu
haben scheinen.«
»Nur ein Achtel. Schoschonenblut. Und
was wollten Sie über D. A. erzählen?«
»Er und seine Frau haben einen kleinen
Jungen und ein Mädchen. Süße Kinder. Man sollte meinen, das habe etwas für ihn
verändert, aber nein. Er ist immer noch der gleiche.«
»Er muß Ihnen viel bedeuten, daß Sie
hierhergezogen sind, um ihm zu helfen.«
»Ja, aber vielleicht brauchte ich auch
selbst Hilfe.«
Ich schwieg, weil ich spürte, daß ich,
wenn ich nachfragte, nur wieder ein Achselzucken ernten würde. Draußen fegte
der Wind um das Haus. Über unseren Köpfen klapperten die losen Dachschindeln.
Die Katze bewegte sich, stand auf, machte einen Buckel, um sich zu strecken,
drehte sich um ihre eigene Achse und ließ sich wieder nieder.
Schließlich fragte ich: »Sind Sie
sicher, daß Sie Thomas Y. Grant nicht kennen?«
»Wie ich schon sagte, der Name ist mir
unbekannt. Aber er ist ziemlich häufig; vielleicht habe ich ihn vergessen. Wer
ist er?«
»Ein Rechtsanwalt in San Francisco. Hat
sich auf Scheidungen nur für Männer spezialisiert.«
»Ach, einer von denen. Wie sieht er
denn aus?«
»Er ist angeblich Anfang Fünfzig, wirkt
aber jünger. Groß, gutgebaut, dichtes, graues Haar, gutaussehend — bis auf eine
Narbe auf der linken Wange, die mich an irgend etwas aus dem Bettelstudenten erinnert.«
Als ich die Narbe erwähnte, reagierte
Ross zwar nicht so dramatisch wie auf den Namen Jenny Ruhl, aber die Falten um
ihren Mund vertieften sich. »Lebt dieser Mann in San Francisco?«
»Ja.«
»Wo? Ist er wohlhabend?«
Die Frage erstaunte mich, aber ich
sagte: »Es scheint so. Er hat ein Haus an der Lyon Street in Pacific Heights.
Und seine
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