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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Fall glaubte ich die Antwort zu wissen.
    Ich dachte an Ross’ Rat, erst mit Mia
Taylor zu sprechen, bevor ich mich an ihren Ehemann wandte, und fragte: »Ist
eure Mama in der Nähe?«
    Davey schüttelte den Kopf. Die kleine
Mia nahm den Finger aus dem Mund und sagte: »Sie ist mit Tante Chrissy nach
Petaluma gefahren. Tante Chrissy bekommt ein Baby, vielleicht in diesem
Augenblick.«
    »Oh, das ist aber schön«, log ich.
Dabei verspürte ich heftiges Mitleid für das Neugeborene, das hier zu Hause
sein würde. »Ist euer Papa denn da?«
    Sie wechselten einen Blick, der
besagte: Papa, oje!
    »Das ist in Ordnung. Kennt ihr Miss
Ross?«
    Davey nickte. »Libby.«
    »Ich bin eine Freundin von Libby. Sie
bat mich, euren Papa zu besuchen.« Mein Beruf erfordert eine ziemliche
Erfindungsgabe, aber ich fühle mich immer etwas unwohl, wenn ich meine Notlügen
bei Kindern einsetze.
    Mia und Davey wechselten wieder einen
Blick, der diesmal zu besagen schien: ›Können wir der Erwachsenen trauen?‹
Schließlich deutete Davey zu den Hütten. »Unser Haus ist das letzte.«
    »Danke.« Ich stand auf.
    Ich hatte kaum ein paar Meter
zurückgelegt, als zwei Männer aus der ersten Hütte auftauchten. Kräftige Männer
mit struppigen schwarzen Haaren, die wie Fischer in Ölzeug gekleidet waren. Sie
standen zusammen und versperrten mir den Weg.
    »Was wollen Sie denn?« fragte der
Kräftigere.
    »Ich suche D. A. Taylor. Sind Sie das?«
    Schweigend schüttelten sie den Kopf und
blieben vor mir stehen.
    »Hören Sie mal, Libby Ross schickt
mich.«
    »Natürlich«, sagte der Mann.
    »Rufen Sie sie an und fragen Sie sie,
wenn Sie mir nicht glauben.«
    »Warum sollte die alte Hexe jemanden
schicken?« fragte der andere Mann, dessen Oberlippe ein Schnurrbart zierte.
»Spioniert sie wieder hinter D. A. her?«
    »Nein. Ich glaube, sie hat momentan
kein großes Interesse an ihm. Aber sie hat mir gesagt, wo ich ihn finden kann.«
    »Was wollen Sie von ihm?«
    »Das ist eine Privatangelegenheit.«
    »Wir sind D. A.s Familie. Seine
Angelegenheiten sind auch unsere.«
    Ich zögerte und warf einen Blick zurück
auf die Taylor-Kinder. Sie spielten nicht, sondern beobachteten uns gespannt.
Ich glaubte nicht, daß die Männer — ihre Onkel vermutlich — vor den Kindern
gewalttätig werden würden, und sagte schließlich: »Wenn das so ist, können Sie
ja mitkommen und zuhören.«
    Sie wechselten einen Blick. Das schien
hier draußen die Verständigungsmethode zu sein. Diesmal konnte ich ihren Blick
nicht so leicht deuten, aber sie wirkten irgendwie entspannt. Nach ein paar
Sekunden trat der schwere Mann zur Seite. »Ja, dann gehen Sie schon. Die letzte
Hütte. Er ist wahrscheinlich auf seinem Dock und starrt auf seine Insel.«
    »Seine Insel?«
    Er grinste fies. »Hog Island. Sie
gehört D. A. nicht wirklich, aber er hat es sich in den Kopf gesetzt, daß sie
sein Eigentum ist. Ihm hat nie etwas gehört — alles Einbildung. Und das ist so
ungefähr alles, was er noch im Kopf hat.«
    Eine schöne Familie, dachte ich,
während ich an den Männern vorbei den mit Muschelbruch übersäten Weg
hinunterging. Ich hörte die zwei lachen, als ob sie ihre Bemerkung furchtbar
witzig fänden, aber ich ignorierte sie. Und die Hunde ignorierten mich, als ich
um sie herum- und über sie hinwegstieg.
    Der Weg endete an einem öden Punkt, an
einem Schotterabhang, der zum windgepeitschten, grauen Wasser hinabführte. Ich
konnte die Insel von hier aus sehen — felsig, mit Zypressen und
Eukalyptusbäumen bestanden, die Baumspitzen waren vom Nebel umhüllt. Hog Island
— das angeblich seinen Namen von einer Barke mit Schweinen erhalten hatte, die
in grauer Vorzeit einmal dort ausgesetzt worden waren — gehörte nun der
Audubon-Gesellschaft, die die Insel in ihrem natürlichen Zustand beließ.
Niemand lebte dort, der einzige Eingriff des Menschen zeigte sich in der Ruine
eines Hauses, das im 19. Jahrhundert von einer deutschen Familie erbaut worden
war. Ich fragte mich, warum D. A. Taylor einen solchen Besitzanspruch auf das
abgelegene Naturschutzgebiet erhob.
    Taylors winziges Häuschen war das
schäbigste von den sieben, an denen ich vorbeigekommen war. Zerbrochene und
geflickte Fensterscheiben und kaum mehr Farbe, aber neben der Tür stand eine
Wanne mit rosa Geranien. Neben den Blumen lag ein altes Dreirad. Ich klopfte an
die zerfledderte Gittertür, erhielt keine Antwort und ging um die Hütte herum
zu einem wackeligen Anlegesteg, der auf den Pfählen der

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