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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Kanzlei ist groß, er hat auch in anderen Städten Niederlassungen.«
    »Und zudem erbt er das Geld von Perry.
Eulen nach Athen tragen, kann ich da nur sagen.«
    Ich beobachtete sie und fragte mich, ob
ich mir ihre Reaktion auf Grants Beschreibung nur eingebildet hatte. Nach einer
Weile fügte sie hinzu: »Nicht, daß das Geld für D. A. zu irgend etwas gut sein
wird. Wenn Mia es nicht gleich in die Finger bekommt, bringt er es in
Windeseile durch.«
    »Ist Mia seine Frau?«
    »Ja. Wollen Sie rüberfahren?«
    »Ja, gleich, wenn ich von hier
wegfahre.«
    »Versuchen Sie, zuerst mit Mia zu
sprechen, wenn sie da ist. Man weiß bei D. A. von einem Tag auf den anderen
nicht, in welchem Zustand er ist.«
    Ich nickte, blieb aber sitzen, zumal
ich verständlicherweise nicht zu begierig war, mich in die bevorstehende unerfreuliche
Situation zu stürzen. Außerdem war ich nicht sicher, ob ich von Ross alles
erfahren hatte, was sie wußte. Vielleicht würde sie — wenn ich das Thema
Hilderly und Ruhl vermied — ein bißchen zugänglicher werden. Ich fragte:
»Gehört Ihr Land hier zum National Seashore?«
    »Ja, ich habe einen langfristigen
Pachtvertrag. Die Regierung fördert die Milchwirtschaft aus ästhetischen und
wirtschaftlichen Gründen.«
    »Die Milchwirtschaft? Ich dachte...«
    »Der Reitstall wirft keinen Gewinn ab;
ich behalte ihn nur, weil ich Pferde liebe. Für die Milchwirtschaft habe ich
mit meinem Nachbarn im Osten einen Unterpachtvertrag geschlossen. Auf diese
Weise habe ich ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen auf dem Tisch. Aber
das ist auch alles. Glen fühlte sich hier so wohl; manchmal glaube ich, daß ich
deswegen bleibe.« Obwohl Ross sich eigentlich freuen müßte, einmal Gesellschaft
zu haben, schien sie sich nicht weiter unterhalten zu wollen. Sie stand auf,
streckte ihren schlanken Körper, ganz so wie die Katze ihren pelzigen Leib
gestreckt hatte.
    »Wenn Sie D. A. besuchen, nehmen Sie
nicht zu ernst, was er sagt.«
    »Was glauben Sie, könnte er sagen?«
    »Das weiß der Himmel. Der Mann lebt
schon seit Jahren in einer anderen Welt. Er... nun Sie wissen ja selbst, welche
Auswirkungen Drogen auf einen Menschen haben.« Sie bückte sich und nahm die
Katze von meinem Schoß — ein deutlicher Hinweis.
    Während wir zum Auto gingen, fragte
Ross: »Was muß ich tun, um an das Geld zu kommen?«
    »Nichts. Hilderlys Anwalt wird das
Testament vollstrecken und sich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
    »Gut. Wie gesagt, ich kann es verdammt
gut brauchen.«
    Als wir an meinem MG ankamen, schien
Ross mich jedoch plötzlich nicht gehen lassen zu wollen. Sie lehnte sich an den
Wagen, drückte die Katze an ihre Daunenjacke und starrte über die Vorberge in
Richtung Lagune. Die zwei Reiter, die vorher hier waren, hatten das Ende des
Pfades erreicht und saßen auf ihren Tieren neben dem ruhigen Gewässer. Das
scheckige Fell der Pferde spiegelte sich auf der Oberfläche.
    »Die Lagune«, sagte Ross, »wurde nach
einem Mann benannt, der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hier sein Vieh
weidete, Carlyle Abbott. Es heißt, daß Abbott ein richtiger Held war. 1861
erlitt ein Schiff — die Meeresnymphe — hier vor der Küste Schiffbruch.
Abbott band sich mit einem Seil an den Umstehenden fest und suchte in der
Brandung nach der Besatzung. Rettete sie alle, außer dem Steward. Der Steward
war der erste Mensch, von dessen Ertrinken bei Point Reyes berichtet wird.«
    Sie hielt inne, ihr Blick war in die
Ferne gerichtet. »Ich bin in Geschichte nicht besonders beschlagen, aber diese
Erzählung habe ich nie vergessen. Sie hat wohl Symbolwert für mich. Ich kam
hierher, um D. A. zu retten, aber es gelang mir nicht. Nun ertrinkt er auf gewisse Weise.«
     
     
     

10
     
    Während ich zur Autobahn zurückfuhr,
überdachte ich mein Gespräch mit Libby Ross. Je mehr ich darüber nachdachte, um
so überzeugter war ich, daß sie Tom Grant nach meiner Beschreibung erkannt
hatte. Wenn es gelänge, D. A. Taylor geschickt anzupacken, würde er mir
vielleicht nicht nur mehr über die Verbindung zwischen Ross, Hilderly, Ruhl und
sich selbst sagen, sondern mir auch etwas über Grant erzählen — vorausgesetzt,
daß er nicht zu sehr abgedriftet war.
    Auf der Autobahn fuhr ich nach Norden
in Richtung Point Reyes Station, einst Haltestelle der vor langer Zeit
eingestellten North Pacific Coast-Eisenbahn, die vom Ende des 19. Jahrhunderts
bis zur Großen Depression zwischen Duncan’s Mill und Sausalito verkehrte. Die
meisten

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