Tote Pracht
durchstöberten wir zusammen den
Kühlschrank und machten uns aus verschiedenen Resten belegte Brote — Larry
begleitete unsere Vorbereitungen mit unheilvollen Warnungen über mögliche
Gesundheitsrisiken. Dann fiel Pam — die bei Freunden mit kleinen Kindern wohnte
und möglichst wenig Zeit zu Hause verbrachte — ein, daß Funeral in Berlin auf Kanal 44 lief, und wir schauten uns den Film im Wohnzimmer zusammen an. Es
war nach zehn, als ich schließlich ging. Rae war noch nicht zurück, und in
Hanks Büro brannte noch Licht.
Es herrschte wieder dichter Nebel, der
die Lichter aus den Fenstern der anderen Häuser an dem kleinen dreieckigen Park
vor dem schäbigen, viktorianischen Haus der Kanzlei dämpfte. Ich hielt auf den
Stufen inne, knöpfte meine Jacke zu und stellte den Kragen auf. Unterdessen
beschlich mich das heftige ungute Gefühl, daß mich im nebligen Dunkel jemand
beobachtete.
Also los, McCone, dachte ich. Schon
wieder Großstadtneurose?
Aber nach den Vorfällen der vergangenen
Nacht würde wohl jeder Gespenster sehen.
Ich trat in den Hauseingang zurück,
schaute mich um und lauschte eine Weile. Die kleinen Straßen, die auf dieser
Seite des Hügels zusammenliefen, waren recht ruhig. Verkehrslärm und
Salsa-Musik drangen von der Mission Street herauf, und ab und zu fuhr ein Auto
vorbei. Jemand hatte die Stereoanlage zu laut aufgedreht, und hinter mir hörte
ich das Gemurmel vom Fernseher der Kanzlei. Ein Mann zog einen Handkarren mit Lebensmitteln
aus dem Safeway-Supermarkt, der rund um die Uhr geöffnet war, den Berg hinauf.
Ein Pärchen ging händchenhaltend vorbei. Ein ganz normaler Abend an einem
Werktag in Bernal Heights, an dem die meist friedliebenden, gesetzestreuen
Bürger ihren Tag beenden und sich auf die Nacht vorbereiten.
Als ich schließlich losging, eilte ich
trotzdem die Stufen hinab. Auf dem Weg zu der Ecke, wo ich meinen MG geparkt
hatte, hielt ich mich im schützenden Schatten der Häuser.
12
Bis zum Morgen war der Nebel auf das
Meer hinausgezogen und hatte einen von jenen herrlichen Sonnentagen
zurückgelassen, an denen mir immer bewußt wird, warum ich mich entschlossen
habe, in San Francisco zu leben. Der blaue Himmel und die sanfte Brise
beflügelten mich, und ich arbeitete den ganzen Vormittag lang an
Routineaufgaben und übte mich in meiner Funktion als Vorgesetzte, indem ich mir
Raes begeisterten und oftmals wiederholten Bericht über die Ereignisse des
Vortages anhörte.
Sie hatte offenbar bereits am ersten
Tag Glück gehabt und konnte dem Mandanten Fotos vorlegen, die bewiesen, daß der
Angestellte die Spirituosenhandlung bestohlen hatte. Der Mandant hatte die
Sache daraufhin der Polizei übergeben. Nach Raes Erzählung war dieser Coup
allein ihrer Klugheit und ihrem Talent zu verdanken (sie erwähnte mit keinem
Wort, daß auch Anfängerglück im Spiel gewesen war), und sie rechnete jeden Augenblick
damit, in die Ruhmeshalle der Detektive aufgenommen zu werden. Da ich guter
Laune war und mich noch daran erinnerte, wie aufgeregt ich über meinen ersten
Erfolg in diesem Beruf gewesen war, hörte ich geduldig zu und gab angemessene
Laute der Bewunderung von mir. Dann lud ich sie zum Mittagessen in ihr
Lieblingsbistro auf der Twentyfourth Street ein. Erst als wir gegen halb zwei
zu All Souls zurückkehrten, konnte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Fall
Hilderly zuwenden.
Jess Goodhue war noch nicht beim Sender
eingetroffen, und man war natürlich nicht bereit, mir ihre private
Telefonnummer zu geben. Als ich die Auskunft anrief, um die Nummer von Taylors
Austernbar zu erfahren, sagte man mir, daß der Anschluß nicht mehr bestehe.
Schließlich rief ich das Büro von Tom Grant an und bat Ms. Curtis um einen
Termin, damit Grant das Dokument unterzeichnen konnte, mit dem er auf seinen
Anteil an Hilderlys Hinterlassenschaft verzichtete. Sie bat mich dranzubleiben,
und dann kam Grant ans Telefon. Er war während des Tages ausgebucht, aber er
sagte, daß er mich am Abend treffen könnte.
»Wann?« fragte ich.
»Ich esse mit einem Mandanten zu Abend,
und dann habe ich einen Termin für ein Interview. Kommen Sie gegen neun, dann
kann ich Ihnen einen Drink anbieten und Ihnen mein Studio zeigen.«
Ich zögerte. Die Einladung hatte eine
verführerische Note, die mir nicht gefiel. Dann fand ich, daß ich mich zu sehr
wie eine Tennessee-Williams-Heldin benahm, wenn ich hinter jedem Baum einen
Lustmolch witterte, und erklärte mich einverstanden.
Als ich
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