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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Teds
Zimmer nebenan zu hören. Dann folgte ein zweiter Plumps und ein lauter Fluch.
    Ich seufzte, stand auf und ging auf den
Flur hinaus. Als ich an Teds Tür klopfte, rief er mit gequälter Stimme: »Komm
rein, aber schnell.«
    Ich öffnete die Tür, und ein gelbes, pelziges
Geschoß prallte gegen mein Schienbein. Automatisch griff ich nach unten, packte
es und hielt eine zappelnde kleine Katze in der Hand.
    »Mach die Tür zu!« schrie Ted.
    Ich gehorchte. Er saß auf seinem roten
viktorianischen Samtsofa und schaute denkbar erbarmungswürdig drein. An seine
Brust drückte er ein ebenso zappeliges schwarz-gelb-weißes Fellknäuel.
    »Du lieber Himmel«, sagte ich und
packte das kleine Wesen fester. »Was ist denn das?«
    »Harrys Katzen.« Die Katze hatte sich
aus seinem Griff befreit und sprang auf den Boden, wobei sie leicht ins
Schleudern geriet. Ted verdrehte resigniert die Augen, während sie
schnurstracks auf die Leiter zur Schlafkoje zusteuerte.
    »Harrys Katzen? Das sind Kätzchen; die
können höchstens zwölf Wochen alt sein.«
    »Genau zwölf Wochen. Das unkluge
Geschenk eines wohlmeinenden Freundes, der glaubte, sie würden ihn aufheitern.
Seine Vermieterin hat sie versorgt, seit er im Krankenhaus war. Und nun hat sie
sie mir gegeben. Ich habe Harry versprochen, ein gutes Zuhause für sie zu
finden.«
    »Oh.« Das Kätzchen, das ich in der Hand
hielt, hatte aufgehört zu zappeln und begann zu schnurren. Es streckte eine
Pfote aus und tätschelte meine Backe. Schnell setzte ich es ab. »Willst du sie
behalten?«
    »Hier? Du machst wohl Scherze.«
    Er hatte recht. Teds Zimmer ist
wirklich ein winziges Kabuff — früher war es das Badezimmer für den Raum, der
nun mir als Büro dient. Ein barockes Plüschnest mit einer roten, flockigen
Tapete und einer der häßlichsten Lampen, die ich diesseits von Denver je gesehen
habe. Aber Ted ist sehr stolz darauf. Und ich muß zugeben, daß er das Beste aus
dem kleinen Raum gemacht hat: die Schlafkoje schwebt in einer Aufhängung über
Waschbecken und Toilette aus Marmor mit Messingarmaturen und wird von roten
Vorhängen abgetrennt; die Badewanne wurde entfernt und durch ein Sofa und einen
antiken Lehnstuhl ersetzt; ein japanischer Wandschirm teilt beide Räume diskret
ab. Für mich sieht es aus wie ein winziges Zimmer in einem Bordell aus den 90er
Jahren des vorigen Jahrhunderts, aber zu Ted paßt es — es ist gleichzeitig karg
und opulent.
    Ich setzte mich neben ihn aufs Sofa.
Beide Katzen waren nun in der Schlafkoje; es klang, als ob etwas zerreiße, und
Ted jaulte. »Meine Vorhänge — schon wieder.«
    »Was ist mit Hank?« fragte ich. »Vielleicht
würde er sie nehmen.«
    »Er würde vergessen, sie zu füttern.«
    »Anne-Marie?«
    »Anne-Marie ist allergisch gegen
Katzen.«
    Im Geiste ging ich kurz alle anderen
Teilhaber und Angestellten von All Souls durch. Aber bei jedem fand ich einen
Grund, der gegen ihn sprach. »Müssen sie zusammenbleiben?«
    »Es sind Geschwister, und sie verstehen
sich gut. Es wäre schade, sie zu trennen.« Nun schaute Ted mich hoffnungsvoll
an. »Shar, vielleicht könntest du...«
    »Nein«, sagte ich schnell. »Ich will
keine Katze mehr.«
    Er schwieg einen Augenblick und sagte
dann: »Kann ich dir eine persönliche Frage stellen?«
    »Sicher.«
    »Sonderst du dich irgendwie ab, seit
George zurück nach Palo Alto gezogen ist?«
    »Wie kommst du auf diese Idee?«
    »Oh, ich weiß es nicht. Es geht mich ja
auch nichts an. Vergiß, daß ich gefragt habe.«
    »Ted, der einzige Grund, warum ich
keine Katze mehr will, ist, daß ich nicht viel zu Hause bin. Ich kann mich
nicht richtig um eine Katze kümmern. Wat war anders — er war alt und sehr
unabhängig. Diese Kätzchen brauchen viel Aufmerksamkeit.«
    Und wieder zerriß etwas. »Ich weiß«,
sagte Ted niedergeschlagen.
    »Ich werde mich umhören, ob ich
jemanden finde, der sie nimmt.«
    »Das wäre nett von dir.«
    Ich stand auf. Bevor ich die Tür
öffnete, fragte ich: »Wie heißen sie?«
    »Ralph und Alice.«
    »Die Flitterwöchner.«
    Sein Gesicht hellte sich etwas auf.
»Ich bin froh, daß du das weißt. Viele Leute, denen ich davon erzähle,
verstehen die Anspielung nicht. Ich fühle mich dann uralt. Manchmal glaube ich,
daß ich der einzige Mensch bin, der sich an alte Fernsehserien erinnert.«
    »Ich erinnere mich noch«, sagte ich,
verließ das Zimmer und schloß schnell die Tür, bevor die Kätzchen neuerlich
zuschlagen konnten.
    Nachdem es offensichtlich unmöglich
war,

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