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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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seiner dreißigjährigen Tätigkeit in diesem Lokal ein Getränk
gebracht hat. Vielleicht erinnert sie ihn an eine Liebste, die er vor langer
Zeit in Irland gehabt hatte; vielleicht bewundert er sie, weil sie einfach
davon ausgegangen war, daß ihr als Gast eine solche Behandlung zustehe. Aus
irgendeinem Grund steht Rae bei Brian hoch im Kurs — wesentlich höher als wir
alte Stammkunden, die wir seit Jahren ins Remedy kommen.
    Sie wollte ihre Geschichte von der
Spirituosenhandlung noch mal erzählen. Die Tatsache, daß sie als Zeuge vor
Gericht erscheinen mußte, machte die Sache noch dramatischer. Aber ich
unterbrach sie und erzählte ihr die Neuigkeiten im Fall Hilderly. Wir drehten
und wendeten die Fakten zwei Stunden lang bei Bier beziehungsweise Wein und
Nüssen, kamen einer Lösung aber nicht naher.
    Rae fragte: »Wirst du Grant heute abend
auf seine Freundschaft mit Hilderly ansprechen?«
    »Das ist die einzige Möglichkeit, um
die ganze Geschichte von ihm zu erfahren.«
    »Nach dem, was du erzählt hast, scheint
der Kerl merkwürdig zu sein. Was machst du, wenn er handgreiflich wird?«
    »Ich werde schon mit ihm fertig. Aber
ich glaube das sowieso nicht. Er ist nicht der Typ dazu, und außerdem hat er
einen Ruf zu verlieren. Er wird mir nichts tun, wenn andere Leute wissen, daß
ich bei ihm bin. Ich habe die Absicht, die Kanzlei anzurufen, wenn ich bei ihm
eintreffe. Ich werde sicherstellen, daß er es hört, wenn ich jemandem genau
sage, wo ich bin.«
    Rae dachte darüber nach und nickte dann
gedankenvoll. Ich konnte förmlich sehen, wie sie sich diese Technik für eine
spätere Verwendung merkte.
    »Ich wollte dich fragen — hast du
gehört, ob die Kugel, die die Polizei bei Hank und Anne-Marie gefunden hat,
identisch ist mit denen, durch die die anderen Opfer starben?«
    »Ja. Willie hat heute nachmittag Greg
Marcus angerufen. Sie sind identisch.«
    Das hatte ich schon erwartet, aber ich
hatte wohl trotzdem gehofft, daß es nicht die gleichen Kugeln wären. Es hätte
meine Nachforschungen erleichtert, wenn der Mordanschlag zum Beispiel von
jemandem durchgeführt worden wäre, den Willie beim Kauf eines Diamantringes
übers Ohr gehauen hatte. Rae beobachtete mich, als erwarte sie einen klugen
Kommentar, aber ich mußte passen.
    Als ich stumm blieb, fragte sie: »Wie
steht es mit Hank? Glaubt er immer noch, daß er nicht in Gefahr ist?«
    »Das sagt er jedenfalls. Aber ich bin
nicht davon überzeugt — und ich glaube, er auch nicht. Wie geht es Willie?«
    »Er hockt zu Hause und hat
Klaustrophobie. Sie haben einen Bullen vor das Haus gestellt, aber er hat
Angst, nach Einbruch der Dunkelheit rauszugehen.« Sie schaute auf die Uhr.
»Jetzt fällt mir wieder ein, daß ich eigentlich schon bei ihm sein sollte.«
    Nachdem sie gegangen war, trank ich
meinen Wein aus und ging heim. Die einzige Nachricht auf meinem
Anrufbeantworter war von Jim, der mit kläglicher Stimme fragte, ob wir uns
treffen könnten, um alles zu besprechen. Nein, beschloß ich, ich wollte nichts
mit ihm besprechen. Ich versuchte erneut, Jess Goodhue zu erreichen, aber die
Telefonzentrale konnte sie nicht finden. Die Mikrowelle verbrannte den
Mittelteil meiner gefrorenen Lasagne, während oben noch kleine Eisklumpen
waren. Ich aß sie trotzdem. Danach ging ich zum Tresor, wo ich meine 38er auf
bewahre, und holte den Beutel heraus, den ich in einer von Hilderlys Kisten
gefunden hatte. Die Waffe lag schwer in meiner Hand. Ich fühlte die rauhe
Stelle, wo die Seriennummer entfernt worden war, dann legte ich sie in den
Beutel zurück. Den Beutel verstaute ich wieder im Tresor und behielt nur die
Kette mit den Metallbuchstaben K und A. Ich betrachtete sie einen
Augenblick und legte sie dann in das mit einem Reißverschluß versehene
Seitenfach meiner Handtasche.
    Es war jetzt acht Uhr dreißig und an
der Zeit, mich auf den Weg zu meiner Verabredung mit Tom Grant zu machen.
Vorher rief ich nochmals bei KSTS-TV an; jetzt ruhte sich Goodhue bis zu ihrer
Sendung um elf Uhr aus und durfte nicht gestört werden. Mir fielen wieder ihre
Worte ein. »Niemand, absolut niemand, wagt es, mich in meiner Garderobe zu
stören.« Auch wenn ich verstehen konnte, daß sie ein paar Minuten Ruhe
brauchte, wurmte es mich doch, daß sie mich nicht, wie versprochen, angerufen
hatte. Mein Ärger hielt den ganzen Weg nach Pacific Heights an.
     
    Die Nacht war klar und ungewöhnlich
warm; auf den Straßen von Pacific Heights herrschte jene Ruhe, die
privilegierte

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