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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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der
Stadtbibliothek hatte noch nie von New Liberty gehört; er bat mich, ein
paar Minuten Geduld zu haben, während er ein Nachschlagewerk konsultierte. Die
Zeitschrift war für ein alternatives Magazin recht alt geworden: Sie hatte von
1965 bis 1970 bestanden. Die Auflage war nie sehr hoch gewesen und hatte in
ihrer Blütezeit zehntausend Exemplare erreicht. Der Name des Chefredakteurs bis
1969 war Luke Widdows. Seine Nachfolger hatten ihren Posten dann nie mehr als
ein oder zwei Monate innegehabt.
    »Haben Sie eine Ahnung, was Widdows
jetzt macht?« fragte ich.
    »Ich glaube, ich habe seinen Namen
irgendwo gelesen. Er arbeitet möglicherweise freiberuflich als Journalist.«
    Ich legte auf und rief meinen Freund J.
D. Smith beim Chronicle an. J. D. kam der Name auch bekannt vor, und er
versprach, sich umzuhören und sich wieder bei mir zu melden. Ich hatte um drei
Uhr bei einer Kanzlei in der Stadt einen Termin, um der Niederschrift einer
eidlichen Aussage für einen von Larrys Mandanten beizuwohnen. Also räumte ich
meinen Schreibtisch auf und verließ das Büro. Die Niederschrift dauerte wie
üblich immer wesentlich länger als geplant, und als ich in die Kanzlei
zurückkam, war es fast fünf. Ted saß an seinem Schreibtisch. Das getigerte
Kätzchen, Alice, lag auf seinen Schultern.
    »Was macht denn sie hier?« fragte ich.
    Er wollte gerade die Achsel zucken,
hielt aber noch rechtzeitig inne; eine etwas heftigere Bewegung seiner
Schultern hätte das farbige Fellknäuel durch die Luft segeln lassen. »So verhält
sie sich wenigstens ruhig und zerlegt mir nicht die ganze Wohnung. Aus
irgendeinem Grund gefällt ihr das.«
    »Wo ist die andere?«
    Er deutete unter den Schreibtisch. Ich
bückte mich und entdeckte Ralph, der sich auf Teds Füßen zusammengerollt hatte.
»Ein berufstätiger Vater hat es schwer«, sagte ich.
    Er funkelte mich an und wandte sich
wieder dem Memorandum zu, das er gerade korrigierte.
    In meinem Eingangskorb lag eine
Nachricht von J. D. mit der Adresse und Telefonnummer von Luke Widdows in
Berkeley sowie eine Notiz von Hank, die besagte, daß er mit Mia Taylor
gesprochen und die Erbschaftsangelegenheit geklärt hatte. Ich ärgerte mich, daß
ich ihren Anruf versäumt hatte; ich hätte Mrs. Taylor gerne über die
Vergangenheit ihres Mannes ausgefragt. Nun mußte ich wohl doch wieder nach West
Marin hinausfahren.
    Jess Goodhue hatte immer noch nicht
angerufen, um mir den Namen der Detektei mitzuteilen. Ich wählte die Nummer von
KSTS-TV, wo man mir sagte, daß die Redakteurin nicht zu sprechen sei. Die
Ergebnisse meines anschließenden Telefongesprächs waren ein wenig erfreulicher:
Luke Widdows war gerne bereit, mit mir über Hilderly zu sprechen, aber er war
gerade am Gehen. Ob ich ihn wohl am nächsten Tag um neun Uhr morgens aufsuchen
könne? Ich war einverstanden und ließ mir den Weg erklären.
    Was soll ich nun machen? dachte ich
verärgert. Ich mußte vor meiner Verabredung mit Tom Grant noch vier Stunden
totschlagen. Ich hatte eigentlich keine Lust, heimzugehen oder meinen
Papierkram aufzuarbeiten. Schließlich ging ich nach unten und überredete Rae,
ihren Spesenbericht ein andermal auszufüllen. Wir gingen hügelabwärts in die
Remedy Lounge auf der Mission Street.
    Das Remedy ist schon lange bei den
Mitarbeitern von All Souls beliebt. Hank entdeckte es, soviel ich weiß, nur wenige
Stunden nachdem er den Mietvertrag für das viktorianische Haus unterschrieben
hatte. Seit vielen Jahren feierten wir dort unsere Erfolge und beklagten unsere
Mißerfolge. Das dunkle und schmierige Lokal mit seiner meist kaputten Musikbox
und der häßlichen Einrichtung war eigentlich ein Ort, den man auf den ersten
Blick eher meiden würde. Aber seine Atmosphäre läßt einen das schäbige Aussehen
vergessen. Manchmal habe ich in seinen vier schmuddeligen Wänden das Gefühl,
daß seine toleranten — aber nicht übermäßig kontaktfreudigen — Gäste und ich
auf einem gemütlichen Schiff, geschützt vor den tobenden Naturgewalten, über
die stürmische See fahren. Freilich ist das Schiff ein müdes altes Wrack, und
die felsigen Klippen liegen direkt vor uns, aber das kurze Gefühl der
Geborgenheit ist doch beruhigend.
    Rae und ich nahmen einen von den
Tischen im hinteren Teil des Lokals, und Brian, der Barkeeper, brachte ihr
sofort ein Bier und mir ein Glas Weißwein. Das war einer der Vorteile, wenn ich
meine Assistentin mitnahm: soweit ich weiß, ist ihr Tisch der einzige, an den
Brian während

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