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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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links und rechts. Autos rauschten vorbei und erschreckten sie. Es kam ihr vor, als sähen alle sie an.
    Er schien überall zu sein.
    Ist er aber nicht.
    Sie brauchte eine halbe Stunde, bis sie eine Telefonzelle in einer ausreichend sicheren Entfernung von ihrer Wohnung gefunden hatte. Dort angekommen, ignorierte sie das dumpfe Klopfen an ihrem Bein, hielt den Hörer ans Ohr und wählte. Kurz bevor sie weggegangen war, hatte die Polizei im Fernsehen eine Nummer durchgegeben, die man anrufen sollte.
    Beim Warten wurde ihr trotz der guten Vorsätze, die sie oberflächlich gefasst hatte, bewusst, was sie außer der Angst im Inneren fühlte. Es war diese gefährliche Hoffnung. Vielleicht dieses Mal …
    »Hallo«, sagte eine Frau. »Kriminalpol …«
    Mary unterbrach sie.
    »Ich weiß, wer diese Mädchen umgebracht hat«, sagte sie.

5
    Sonntag, 7. August
    D raußen wurde der Himmel langsam dunkler. Die Spätnachmittagsbrise hatte schon etwas Abendliches. Aber nach der Hitze des Tages war es noch warm genug, um die Menschen im Freien zu halten. Als ich am Hadden Park vorbeifuhr, sah ich eine Gruppe im Gras sitzen, und Studenten in bunten Shorts kickten in der Ferne einen Fußball umher. An den größeren Straßen waren die Bänke vor den Pubs voller Menschen, die es sich für den Abend gemütlich machten, aber noch nicht bereit oder willens waren, nach drinnen oder nach Hause zu gehen.
    An den Ampeln hielt Chocs und Cardos Auto vor mir, und die roten Rücklichter starrten mich unerbittlich an, wie die Augen einer Ratte in einem Tunnel. Jedes Mal, wenn wir anhielten, verspürte ich den Impuls, den Blinker zu setzen und abzubiegen. Aber ich tat es nicht. Sondern ich löste die Handbremse und gab Gas, um Schritt zu halten, wenn ihr Wagen wieder losraste.
    Choc hatte mir nicht gesagt, wo wir hinfahren würden, aber der Ort war auch nicht wichtig. Was dort passieren würde, war das Wesentliche. Ich stellte es mir so vor: Wir drei würden an eine Tür klopfen, Eddie würde aufmachen und ganz blass werden. Den Teil wollte ich sehen. Dann würde sich Choc mit ihm unterhalten. Ich wusste, diese Unterhaltung würde nicht nur aus Worten bestehen, aber nachdem ich Tori am Klavier gesehen hatte, machte mir das keinen großen Kummer. Vielmehr war ich ziemlich sicher, dass ich das auch miterleben wollte, obwohl ich die Grenze ziehen würde, wenn ich selbst mitmachen sollte.
    Und indem ich mir so die Gründe zurechtlegte, war es nicht allzu schwer, den gesunden Menschenverstand beiseitezuschieben und weiter hinter ihnen herzufahren. Mit jeder Kreuzung wurde mein Schuldbewusstsein und das Gefühl, versagt zu haben, erdrückender, und dabei kam es mir vor, als könnte ich dem einzigen Lichtschimmer nur dadurch auf die Spur kommen, dass ich Choc und Cardo folgte.
    Wir fuhren quer durch die Stadt und kamen östlich der Stadtmitte heraus, wo die großen Straßen in ländliche, weniger befahrene übergingen. Nach zwanzig Minuten blinkten sie links, und ich folgte ihnen auf einem schmalen Feldweg quer durchs Gelände. Wir fuhren jetzt langsam, da statt der Teerdecke nur noch Kies unter den Reifen knirschte. Wir nahmen eine Kurve, und der Weg mündete auf eine breitere Parkfläche. Hier lagen auf der rechten Seite mehrere große Kieshaufen, und vor uns und zur Linken waren dichte Baumgruppen.
    Ein Steinbruch, vermutete ich, wo sonntags niemand war.
    Ein leeres Auto stand schon da, und Choc hielt daneben an. Ich parkte parallel zu ihm, und wir saßen einen Moment mit laufenden Motoren da.
    Der rationale Teil meines Gehirns fing jetzt an, sich ernsthaft Sorgen zu machen.
    Hier geht es nicht darum, jemandem einen Besuch abzustatten und bei ihm anzuklopfen, oder? Wir sind hier mitten in der Pampa.
    Aber jetzt waren wir eben hier. Ich stellte den Motor ab und hörte nichts als Vogelstimmen, dann das Zuschlagen der Wagentüren, als Choc und Cardo ausstiegen und auf den Wald zugingen. Als sie die Bäume erreichten, schauten sie sich ungeduldig nach mir um. Ich holte tief Luft und folgte ihnen.
    »Sollte jemand fragen«, sagte Choc zu mir, »du bist jetzt gerade im Wheatfield. Alles klar?«
    »Ja«, sagte ich unsicher. »Wohin gehen wir denn?«
    »Nicht weit.« Sie traten zwischen die Bäume. »Pass auf.«
    Wir gingen noch ein Stück weiter hinein. Es war kein Weg da, nur ein Gewirr von Wurzeln und Gras. Kleinere, von den Bäumen gefallene Äste sahen aus wie Rippen an einem Brustkorb, die als Fallen im Unterholz lagen und knackten, wenn man auf sie

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