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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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kümmern.
    Konnte sie vorsichtig säubern und heilen lassen.
    Sie sammelte die Taschentücher auf, knüllte sie zu einem Ball zusammen, wischte das Blut auf und warf alles in den Mülleimer in der Küche. Als sie wieder ins vordere Zimmer kam, pochte ihr Bein wunderbar, und es fühlte sich an, als schwebe sie.
    Dann nahm sie wahr, was im Fernsehen lief.
    Nur einen Moment lang lief ein Spruchband am unteren Rand des Bildes entlang und brachte einen Augenblick später eine neue Schlagzeile. Aber das war genug, um sie schwach zu machen. Sie ließ sich auf die Couch fallen.
    Anfangs hatte da gestanden:
    OPFER ANS BETT GEFESSELT UND STERBEN LASSEN
    Jetzt stand da:
    POLIZEI : MÖGLICHE VERBINDUNGEN DES MORDES MIT FRÜHEREN FÄLLEN
    Mary fand die Fernbedienung und schaltete den Ton zu.
    »… nicht in der Lage, das zu diesem Zeitpunkt zu kommentieren.«
    Man sah eine Pressekonferenz. Zwei Polizeibeamte in Anzügen saßen hinter einem langen Tisch mit einem weißen Tischtuch. Mikrofone ragten vor ihnen auf.
    »Können Sie bestätigen, dass die Todesursache Dehydration war?«, sagte eine Stimme.
    »Die Obduktion ist zurzeit noch nicht abgeschlossen. Wir hoffen, dass wir diese Frage bald beantworten können.«
    Der Sprecher war Mitte dreißig und machte Eindruck. Er sah ordentlich, gepflegt und sportlich aus. Die Art von Polizist, dem ein Durchschnittsmensch die Lösung eines Verbrechens zutrauen würde. Aber Mary lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den anderen. Er war älter, in den Vierzigern, vermutete Mary, und sein Gesichtsausdruck war gütig und zugleich unbeschreiblich traurig. Wann immer eine Kamera aufblitzte, hielt er die Augen ein wenig zu lange geschlossen. »Aber Sie glauben, dass das Opfer gefesselt und einige Zeit in der Wohnung liegen gelassen wurde?«
    Der jüngere Polizist überlegte.
    »Es ist eine Möglichkeit, die wir untersuchen«, sagte er.
    Mary zitterte. Trotz all dessen, was sie unternommen hatte, war der Abgrund in ihr wieder aufgerissen, und all diese finsteren Emotionen waren zurückgekehrt.
    Die Einblendung änderte sich wieder …
    OPFER ANS BETT GEFESSELT UND ZURÜCKGELASSEN
    … etwas knarrte im oberen Stockwerk.
    Marys Herz machte einen Satz.
    Nichts. Es ist nichts.
    Türen und Fenster waren fest verschlossen. Sie zog die Füße auf die Couch, schlang vorsichtig die Arme um die Knie und fing an, sich leise zu wiegen, um sich zu beruhigen. Die Worte aus dem Fernseher gaben ihr recht, denn sie verstand ganz genau, was sie zu bedeuten hatten.
    Es war eine direkt an sie gerichtete Botschaft.
    Du musst es ihnen sagen.
    Einesteils wollte sie das auch, aber andererseits wusste sie, dass es nichts bringen würde. Das hatte es doch nie getan, oder? Sie hatte aus ihren eigenen bitteren Erfahrungen genug gelernt, um zu wissen, dass die Polizei nichts tat. Niemand tat etwas. Nur auf sich selbst konnte man sich verlassen. Und dabei war sie doch machtlos. Die Worte auf dem Bildschirm hatten sie fertiggemacht, hatten sie wieder zu einem Kind werden lassen, das in der Ecke kauerte. Niemand würde ihr helfen, aber es war andererseits undenkbar, dass sie diese Sache allein bewältigen konnte. Wie konnte man das von ihr erwarten?
    Du kannst ja nicht sicher sein, dass sie nicht auf dich hören werden
, sagte sie sich.
    Er hat ein gütiges Gesicht. Er sieht aus, als würde er es ernst nehmen.
    Diese Art von Hoffnung war gefährlich. Besser, die Hand erst gar nicht auszustrecken, als dass sie unbeachtet blieb oder mit einem Schlag zurückgewiesen wurde.
    Aber es geht nicht nur um dich. Was ist, wenn er noch jemand weiteres verletzt?
    Darauf hatte sie keine Antwort. Wer sonst würde ihm Einhalt gebieten? Sie musste es der Polizei sagen, sonst würde sie zumindest einen Teil der Schuld tragen, wenn er das nächste Mädchen gefangen nahm und dann wieder eins.
    Mary sah zum Telefon auf dem Tisch, aber von hier aus anzurufen kam nicht in Frage. Sie hatte die ganzen Jahre über zu hart daran gearbeitet, ihre Anonymität beizubehalten, und würde jetzt nicht das Risiko eingehen, entdeckt zu werden. Für alle Jobs, die sie annahm, wenn es nicht gerade etwas Ehrenamtliches war, wurde sie bar bezahlt, und ihr richtiger Name stand weder auf der Stromrechnung oder dem Bankkonto noch dem Mietvertrag mit der Stadt. Denn alles ließ sich zurückverfolgen.
    Aber irgendwie musste sie es doch tun.
    Nachdem Mary ein paar Minuten nachgedacht hatte, nahm sie ihren Mantel, ging nach unten und schaute beim Hinausgehen auf die Straße nach

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