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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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denen ich mir vormachen konnte, ich sei ein normaler Mensch, der sich nur um normale Dinge zu sorgen brauchte. Doch tief im Inneren fühlte es sich immer noch an, als ticke eine Uhr, und vielleicht war das einer der Gründe, weshalb ich jetzt zu diesem Ort unterwegs war.
    Ich erreichte die Washmores, und das erste Gefühl aufgeregten Wiedererkennens kam in mir auf. Dies war die Gegend, in der ich aufgewachsen war. Alles hier war vertraut, aber doch leicht verändert, als sei die Hälfte der Häuser neu gestrichen oder mit irgendeinem Anbau versehen worden. Vor mir standen Poller auf der Straße und versperrten die Zufahrt zur Brücke über den Fluss, den ich in der Ferne rauschen hörte. Ich bog rechts in eine schmale gepflasterte Gasse ein. Die seitliche Trockenmauer war mit zotteligem Moos bedeckt, und auf halbem Wege stand die alte Straßenlaterne. Das Gehäuse oben war aus Glas, darunter ragten seitlich zwei schmale Arme heraus, und dann kam der untere Teil, der dünn und schuppig grün war. Als Kind hatte ich mich an die Laterne gehängt und geschaukelt. Als ich sie jetzt sah, war es eine merkwürdige Vorstellung, dass ich jemals hatte so klein sein können.
    Dann ging ich auf ein großes viktorianisches Haus zu, das ein Stück von der Straße zurückgesetzt stand. Die riesigen Außenmauern waren vom Alter rußgeschwärzt, und ein Fahrweg wand sich daran vorbei und verschwand dahinter.
    Wenn ich die Augen schloss, konnte ich es genau vor mir sehen.
    Hinter dem Haus erstreckte sich über drei absteigende Terrassen ein Garten, der jetzt zum größten Teil überwuchert war. Vor der Haustür waren Wäscheleinen gespannt. Damit verband ich die Erinnerung an meine Mutter, die sich mit am Ärmel festgeklemmten Wäscheklammern streckte und die nasse Wäsche aufhängte. Im zweiten Teil des Gartens gab es noch eine kahle Stelle von den Feuern, die mein Vater dort häufig aus irgendwelchen nur ihm bekannten Gründen entfachte. Irgendwie hatte ich es geschafft, achtundzwanzig Jahre alt zu werden, ohne ein Feuer machen zu müssen, aber er hatte immer etwas zu verbrennen gehabt. Und ganz unten fiel der mit langem Gras überwachsene Hang zu den Büschen und dem Zaun hin ab, wo die Grenze des Grundstücks meiner Eltern verlief. Jenseits lag der Wald, wo Owen umgekommen war.
    Mein Bruder war für alle Zeiten in meinem Gedächtnis zwölf Jahre alt geblieben. Er war zum Spielen allein in den Wald gegangen, und meine Eltern hatten nicht einmal bemerkt, dass etwas passiert sein könnte, bis die Polizei kurz vorm Nachmittagstee an die Tür klopfte. Owen war durch einen Schuss aus einem Luftgewehr verletzt worden. Ein Spaziergänger hatte ihn gefunden, auf dem staubigen Boden zusammengekrümmt wie eine Raupe. Autofahrer berichteten, sie hätten an jenem Nachmittag eine Gruppe älterer Jugendlicher gesehen, die am anderen Ende bei der Umgehungsstraße aus dem Wald kamen, aber man fand nie heraus, wer sie waren. Teenager, die Unfug trieben. Im Lauf der Jahre habe ich mich oft gefragt, ob ihnen überhaupt klar war, was sie getan hatten.
    Ich parkte hinter dem
Putzfee
-Van und ging den langen Teerweg hinunter. Am unteren Ende standen zu beiden Seiten der Stufen kleine, oben zu einem Bogen zusammengewachsene Bäume. Ich blieb darunter stehen und schaute in das dunkle Gewirr der oberen Äste. Wie bei der Straßenlaterne erinnerte ich mich, dass ich als Kind hinaufgeklettert war, aber jetzt hätte ich auf Zehenspitzen mindestens die halbe Höhe erreichen und Zweige berühren können, die nun mein Gewicht nie mehr tragen würden.
    Wie die Zeit verfliegt.
    Die alte Wäscheleine meiner Mutter hing schlaff über dem oberen Teil des Gartens. Sie verlief von einem rostigen Haken an der Hauswand zu einem dicken grünen Baum am Zaun, und der Weg bestand noch aus denselben grauen Steinplatten. Er führte an dem scharfkantigen, rostigen Geländer, das den kurzen Hang zum zweiten Teil des Gartens hin einfasste, entlang zur Haustür.
    Die Haustür stand offen. Von drinnen hörte ich das Geräusch eines Staubsaugers.
    Der Tod meiner Mutter lag drei Jahre zurück, der meines Vaters ein Jahr, und in der Zwischenzeit hatte ich mit der Immobilie absolut nichts gemacht, außer Linda, die Putzfee, zu engagieren, damit sie einmal im Monat vorbeikam und saubermachte. Das Haus war praktisch »auf Eis gelegt«, während ich die Entschlossenheit zusammenkratzte, mich mit ihm zu befassen. Alles musste in Kartons gepackt und entsorgt werden. Alle Räume mussten neu

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