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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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gestrichen werden.
    Tatsächlich viel Arbeit, und ich konnte so tun, als sei dies der Grund. In Wirklichkeit war es aber nicht so sehr die Dimension der Aufgabe, die mich abschreckte, es waren vielmehr die Einzelheiten. Meine Erinnerungen an die erste Hälfte meiner Kindheit waren gut, aber getrübt durch die Kluft, die sich in meiner Familie aufgetan hatte, nachdem Owen starb. Selbst jetzt war ich noch nicht sicher, dass ich es mit diesem Haus würde aufnehmen können. Aber die Ereignisse der letzten paar Wochen hatten meinen Vorsatz verstärkt.
    Wenn nicht jetzt, wann dann?
    »Linda?«
    Ich rief und klopfte zweimal an die offene Tür, als ich hineinging. Sie erwartete mich, ich hörte ein Klicken, und das Brummen des Staubsaugers wurde leiser.
    Linda war Anfang vierzig und auf angenehme Art rundlich. Eine nette, liebenswürdige Frau, der Putzen Spaß zu machen schien und die in alten Jeans und Pullover vorbeikam. Ziemlich beneidenswert, so ein Gen zu haben. Sie stand jetzt in der Küchentür und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Als ich zu ihr trat, lächelte sie mich an und blies sich das Haar aus den Augen.
    »Fast fertig.«
    »Sieht gut aus, finde ich.« Ich schaute skeptisch auf den Teppich, der in der Mitte so abgenutzt war, dass man das graue Rastergitter sah, und dann auf die cremefarbene Rauhfasertapete. »Ich muss das eh alles rausreißen.«
    Linda nickte.
    »Es wird schön sein, wenn es renoviert ist. Wollen Sie es verkaufen?«
    »Mein Gott, ja.«
    Einen schrecklichen Moment lang stellte ich mir vor, hier einzuziehen.
    »Na, es wird für irgendjemanden ein schönes Zuhause sein«, sagte sie.
    »Hoffen wir’s.«
    Gegenüber der Küche sah ich die geschlossene Tür zu dem alten Zimmer meines Bruders. Das war der einzige Raum im Haus, an dem nichts zu machen ich Linda angewiesen hatte. Seit dem Tag von Owens Tod war niemand da drin gewesen. Meine Eltern warfen nie etwas von seinen Sachen weg, niemand von uns betrat den Raum, und die Tür blieb zu. Es war ein ungeschriebenes Gesetz. Das Zimmer war versiegelt und vergraben wie eine Zeitkapsel.
    Manchmal sah ich in der Küche meine Mutter, die Handgelenke tief im Schaum des Spülbeckens, die sich plötzlich erschrocken umblickte, als glaubte sie, sie hätte etwas sehr Wichtiges zu tun vergessen. Dann schaute sie auf die geschlossene Tür und erinnerte sich, dass Owen doch nicht tot war. Er war nur in seinem Zimmer, außer Sichtweite, und alles war in Ordnung. Fast alles, was meine Eltern taten, baute auf einem ähnlichen Prinzip auf.
    »Fünfzig, nicht wahr?« Ich nahm das Geld aus meiner Brieftasche.
    Linda nickte, nahm es und zog dann den Stecker des Staubsaugers aus der Steckdose. Ein Druck auf einen Knopf ließ das Kabel klappernd darin verschwinden.
    Draußen auf dem Weg gab sie mir den Schlüssel und betrachtete die hohe, bedrohliche Fassade des Hauses fast mit Bedauern.
    »Der Job hier wird mir fehlen.«
    »Sie haben prima Arbeit geleistet.«
    Ich meinte es ehrlich. Natürlich hatte ich sie fürs Putzen bezahlt, aber sie hatte mehr für mich getan. Als ich sie zum Beispiel am Anfang im Haus herumführte, hatte ich nicht gewusst, dass wir es mit mehr als fünfzig leeren, in der Speisekammer versteckten Wodkaflaschen zu tun haben würden. Jetzt waren sie fort, und Linda hatte sie mir gegenüber nie erwähnt oder sonst irgendetwas getan, um den schwierigen Augenblick der Scham hervorzuheben, den ich erlebte, als ich sie sah.
Wieso wusstest du nicht, wie dein Vater seine letzten Monate verbrachte?
    »Es ist einfach an der Zeit, dass ich hier mal ausräume.«
    »Ich verstehe. Alles Gute, Dave. Viel Glück.«
    »Ihnen auch.«
    Nachdem sie gegangen war, schloss ich ab, und es wurde mir bewusst, dass ich die Verantwortung für das Haus jetzt wieder ganz allein hatte. Sollte ich mich hier umsehen? Ich beschloss, es nicht zu tun. Ich wusste bereits, wie viel Arbeit es sein würde, und fand, dass ich für den Moment genug getan hatte. Ein Schritt nach dem anderen.
    Im Wagen schaltete ich das Radio ein und zündete mir eine Zigarette an. Als ich sie halb geraucht hatte, kamen die Nachrichten. Ein Lastwagen hatte sich auf der Autobahn nach Süden quergestellt; ein hiesiger Stadtrat war dabei erwischt worden, dass er einen Asiaten-Witz per E-Mail rundgeschickt hatte; und die Polizei war der Verhaftung des Mörders von Alison Wilcox nicht nähergekommen.
    Ich drückte die Zigarette aus. Das Handy in meiner Tasche fing an zu vibrieren.
    Hi. Wollt nur

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