Tote Stimmen
auf den Tisch vor sich hinunter und wartete darauf, dass endlich Schluss damit war.
Eine halbe Stunde später trat Currie in den Verhörraum Nummer fünf, wobei die schlechte Stimmung der Pressekonferenz ihm noch immer nachging.
Der Raum war absichtlich so angelegt, dass er entnervend wirkte. Wäre er leer gewesen, hätte seitwärts ein Doppelbett hineingepasst. Aber mit dem Tisch und den Stühlen und dem Gerät für die Tonaufnahmen konnte man sich darin kaum noch rühren. Eine einzelne Glühbirne erhellte den Raum, aber der Lichtschein reichte nicht ganz bis in die Ecken, und die Verhöre wurden oft von einem missbilligenden Klappern der Rohre vom Stockwerk darüber unterbrochen. Die Luft roch modrig. Es war, als stiege man in ein Grab hinab.
Dave Lewis hockte krumm auf dem formgepressten Plastikstuhl auf der anderen Seite, an seinem Gesicht ließ sich nichts ablesen. Obwohl er so nah am Tisch saß, dass sein Bauch dagegendrückte, hatte er zu wenig Platz. Wenn er sich zurücklehnte, berührte sein Kopf Wand. Lewis sah auf seine Hände unter dem Tisch hinunter, und hin und wieder war ein Klicklaut zu hören, wenn er an seinen Fingernägeln herummachte. Sein deprimiertes Gesicht war starr. Er sah in der Tat ganz ähnlich aus, wie Currie glaubte, selbst gerade vor den Kameras ausgesehen zu haben.
Er stellte einen Styroporbecher mit Kaffee auf den Tisch und streckte ihm die Hand hin.
»Hallo noch mal, Dave. Tut mir leid, dass Sie warten mussten.«
Lewis sah ihn eine Sekunde ausdruckslos an und schüttelte ihm dann die Hand. Currie nickte, setzte sich und legte die Akte auf den Tisch neben den Kaffee. Er sah diesem Verhör insgeheim hoffnungsvoll entgegen.
Julie Sadlers Freunde und Familie waren rasch befragt worden, und dabei war Dave Lewis’ Name gefallen. Er war nur kurz mit Julie gegangen und noch dazu vor längerer Zeit, aber Currie hatte den Namen wiedererkannt. Er hatte in den Akten nachgesehen, der Name fand sich nicht in den Unterlagen, aber trotzdem … er kannte ihn, obwohl er nicht sicher war, woher. Und als sie in seiner Wohnung aufgetaucht waren, war Lewis bereitwillig mit auf die Wache gekommen, ohne eine Erklärung zu fordern. Tatsächlich schien er überhaupt nicht überrascht, dass die Polizei vor seiner Haustür stand. Currie wollte wissen, warum.
»Also, Dave.« Er stützte den Ellbogen auf den Schreibtisch. »Ich möchte mit Ihnen über Julie Sadler sprechen.«
Einen Augenblick sah der Mann verwirrt aus.
»Okay«, sagte er. »Warum?«
»Julie wurde vor zwei Tagen umgebracht.«
Lewis hätte kaum schockierter aussehen können, wenn Currie die Hand ausgestreckt und ihn geohrfeigt hätte. Currie, der überzeugt war, einen Lügner erkennen zu können, wenn er einen vor sich sah, war etwas enttäuscht. Wenn der Mann ihm etwas vorspielte, dann machte er seine Sache sehr gut.
»Was? Warum?«
»Diese Einzelheiten möchte ich noch nicht mit Ihnen besprechen. Und wenn ich es tue, werden Sie derjenige sein, der die Fragen beantwortet. Klar?«
Lewis fuhr sich über die Stirn und schaute auf den Tisch.
Currie nahm beiläufig einen Schluck von dem heißen Kaffee, zog dann ein Foto aus der Akte und schob es über den Tisch zu Lewis hin. Sie hatten es vom Schwarzen Brett der Universität genommen.
»Erinnern Sie sich an sie?«
Lewis nickte. »Ja, das ist sie.«
»Ich weiß, dass sie es ist. Ich habe Sie gefragt, ob Sie sich an sie erinnern.«
»Natürlich erinnere ich mich an sie.«
»Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
Lewis dachte nach. Er sah immer noch verwirrt aus, so als hätte er einen Faustschlag von links erwartet, der stattdessen von der anderen Seite gekommen war.
»Ich weiß nicht. Es ist über ein Jahr her.«
»Als sie sich von Ihnen trennte, meinen Sie?«
»Nein. Wir haben uns noch zweimal danach zum Kaffeetrinken getroffen. Ich weiß nicht, wann. Vor einer Weile.«
»Gab es SMS ? E-Mails?«
»Nein.«
»Also keinerlei Kontakt.« Currie verschränkte die Arme und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Wie lange waren Sie ein Paar?«
»Einen Monat vielleicht.«
»Sie sind also ungefähr einen Monat zusammen ausgegangen, und Sie haben seit ungefähr einem Jahr nichts von ihr gehört.« Currie lächelte ihm zu. »Sie scheinen mir ziemlich am Boden zerstört, Dave. Warum denn?«
»Was?«
Es war eine gemeine Frage, aber das war ihm egal. Er wollte sehen, wie Lewis reagieren würde, wenn er ein wenig bedrängt wurde.
»Wie ich schon sagte, Sie kannten sie ja
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