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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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Currie bedanken konnte.
    »Ja. Er sagte mir, du wärst ’ne Weile dort gewesen. Es sah aus, als hättest du ganz schön lange mit jemandem geplaudert.«
    »Es ging nicht darum«, sagte ich.
    »Ach ja? Worum denn dann?«
    »Etwas, das dich nichts angeht.«
    Da war ich wahrscheinlich etwas zu weit gegangen. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, und seine Stimme, als er endlich etwas sagte, klang leise und gefährlich.
    »Ist auch besser so.«
    Wir starrten uns an. Ich hörte ein Summen, wie wenn man neben einem Strommast steht, und ich wusste, es war in meinem Kopf.
    »Haben wir uns verstanden?«
    »Ja«, sagte ich. »Wir verstehen uns.«
    »Dann sind wir fertig.«
    Choc ließ die Tür los, ging zum Wagen hinüber und stieg ein. Cardo setzte sich hinters Steuer.
    Als der Motor lief, drehte Choc das Fenster herunter und beugte sich heraus. Er trug immer noch seine Killervisage zur Schau.
    »Ich hab es dir durchgehen lassen wegen Tori. Aber wenn du anfängst, mir Ärger zu machen … bist du weg vom Fenster. Leg dich nicht mit mir oder meinen Freunden an. Tu nichts, was mir Scherereien einbringt. Kapiert?«
    »Kapiert.«
    Er nickte, zog sich in den Wagen zurück, und Cardo fuhr langsam an.
    Ohne überhaupt zu überlegen, was ich tat, machte ich einen Schritt auf das Auto zu.
    »Hast du was von ihr gehört in letzter Zeit?«, sagte ich. »Von Tori?«
    Einen Moment sah Choc aus, als hätte ihn das aus der Fassung gebracht. Er sah mich stirnrunzelnd an. Ich hatte keine Ahnung, wieso ich auf diese Frage gekommen war. Vielleicht hatte ich es gesagt, weil Sarah oben in der Wohnung und Choc hier war und er diese schlechten Erinnerungen hinter sich herschleppte. Da konnte meine Besorgnis leichter an die Oberfläche kommen.
    Aber was immer er denken mochte, Cardo hatte es offenbar nicht gehört und fuhr einfach an. Einen Moment später war ich wieder allein und starrte ihnen nach. Dann fuhr ein anderes Auto vorbei, dessen Reifen über die nasse Straße zischten – und der Bann war gebrochen.
    Und ich dachte:
    Ich glaube nämlich, sie könnte in Schwierigkeiten sein.

16
    Freitag, 2. September
    A n dem Tag, als mein Bruder starb, war es hell und sonnig. Das ist nicht nur wegen der Lektion wichtig, die ich dabei lernte – nämlich, dass Menschen einem im Licht genauso leicht genommen werden können wie in der Finsternis –, sondern auch wegen einer Sache, die geschah, und einer, die nicht geschah.
    Ich trug wie immer im Sommer kurze Hosen und ein T-Shirt, und mein Haar war damals länger. Owen und ich, wir sahen uns sehr ähnlich, nur wurden die zwei Jahre Altersunterschied zwischen uns sichtbarer, als er ins Teenager-Alter kam. Es gab Bilder von uns beiden, auf denen er den breitbeinigen Stand des jungen Mannes hatte, während ich neben ihm wie ein kleines Kind zur Kamera hochschielte. Ich war noch in mancher Hinsicht unbeholfen, er hatte dieses Stadium schon hinter sich gelassen, und ich bemühte mich verzweifelt aufzuholen.
    Ich wusste nicht, dass er bald wie eingefroren in der Zeit erstarren und ich ihn überholen und für immer zurücklassen würde.
    Wir hatten Schulferien, Mum und Dad waren mit ihrer Arbeit beschäftigt. Ich war etwas rastlos, brauchte etwas zu tun und machte mich auf die Suche. Ich ging an dem Tag in Owens Zimmer und fand ihn neben seinem Bett hockend vor, wo er seine Sachen zusammensuchte. Als ich die Tür aufmachte, sah er auf.
    »Mensch.« Er wandte sich zornig um. »Wieso klopfst du nicht?«
    »Tut mir leid.«
    »Das wär ja ganz was Neues.«
    »Mir ist einfach langweilig.« Ich blickte hinunter. »Was machst du da?«
    »Musst du alles wissen? Ich geh im Wald spielen.«
    »Darf ich mit?«
    »Nein.«
    »Bitte.« Ich stand an der Tür, trat von einem Bein aufs andere und überlegte mir, wie ich ihn überreden könnte. Dann erinnerte ich mich, was mein Freund Jonny und ich zwei Wochen vorher gefunden hatten. »Ich weiß einen guten Baum, da könnten wir raufklettern. Ich hab rausgekriegt, wie man fast ganz raufkommt. Es würde eine Ewigkeit dauern, bis du es allein rauskriegst.«
    »Wieso meinst du, dass ich es wissen will?«
    Aber er sah mich an, wie ich dastand, und es muss ihm klargeworden sein, dass er mich nicht abschütteln konnte. Er seufzte.
Nichts klebt so an einem wie ein kleiner Bruder
.
    »Also gut.«
    So gingen wir nach draußen und hinunter auf den Wald zu.
    Alle meine Kindheitserinnerungen haben satte Farben. Alles ist verklärt.
    An jenem Tag war die Welt voll heller Grün- und dunkler

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