Tote Stimmen
nicht.«
Das stimmte nicht ganz. Der Traum war zu Boden gefallen, in vage Fragmente zerborsten, aber als sie von mir wegflogen, konnte ich auf einigen der Scherben Einzelheiten ausmachen. Wie heiß es an dem Tag gewesen war. Owens Gesicht. Wie ich mich umdrehte und davonrannte.
Sarah saß in der Hocke. »Es sah so aus.«
»Danke, dass du mich geweckt hast. Wie spät ist es?«
»Halb neun. Ich hätte dich also sowieso geweckt. Ich muss jetzt los, und diesmal wollt ich tschüss sagen.« Sie stand auf und fuhr mir durch das Haar. »Du siehst nett aus, wenn du verschlafen bist.«
Ich tat mein Bestes zu lächeln. »Du siehst auch nett aus, wenn ich verschlafen bin.«
»Soll mir recht sein. Schade, dass ich gehen muss. Seh ich dich dann heute Abend um halb acht? Im Olive Tree?«
Ich brauchte einen Moment, mich zu erinnern, dann fiel es mir ein.
Nach dem Gespräch mit Choc hatte ich als Erstes, bevor ich wieder nach drinnen ging, Tori schnell eine SMS geschickt, in der ich sie fragte, ob alles in Ordnung sei. Keine große Sache, dachte ich; kann ja nicht schaden.
Dann ging ich nach oben in die Küche und fand Sarah vor, die zwei Gläser Wein bereithielt. Ohne etwas zu sagen, reichte sie mir eins und erwartete offensichtlich eine Erklärung. Und so wie Choc sie abgefertigt hatte, verdiente sie natürlich auch eine. Ich war jetzt noch gereizt, dass er aufgetaucht war, und dann ärgerte ich mich über mich selbst, dass ich mich jemals in eine Lage gebracht hatte, die ihm einen Grund zum Auftauchen gab.
Also entschuldigte ich mich. Ausgiebig. Es war schwierig zu erklären, wer Choc und Cardo waren, ohne in die Einzelheiten zu gehen, die ich nicht preisgeben wollte. So erzählte ich nur das Grundlegende. Sie waren keine alten Freunde, eher flüchtige Bekannte, aber solche, denen man lieber nicht auf die Füße treten wollte. Sie hatten nicht mit mir sprechen wollen. Sie wollten zu Emma, und ich hatte ihnen gesagt, sie sei ausgezogen.
Ich war nicht gerade stolz auf die Unwahrheit. Aber es war nur eine kleine Lüge, zu der ich, wie ich hoffte, aus guten Gründen meine Zuflucht genommen hatte. Ich tat mein Bestes, meinen Fehler hinter mir zu lassen, und ärgerte mich über Choc, dass er hierherkommen und all dies wieder aufrühren musste. Ich sagte mir, ich würde Sarah niemals in einer Sache belügen, die die Gegenwart betraf, und es war mir ernst.
Den Vorschlag, heute Abend ins Olive Tree zu gehen, hatte ich nicht gemacht, um sie zu besänftigen. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt all den Trubel schon hingenommen, und wir saßen im Wohnzimmer bei unserem zweiten Glas Wein und unterhielten uns wieder ganz normal. Das Restaurant war ihre Idee gewesen.
»Ja, hört sich gut an«, sagte ich jetzt.
»Ich freu mich drauf.« Sie beugte sich vor, küsste mich auf die Lippen und ging dann zur Schlafzimmertür hinüber. »Bis dann.«
Ich lächelte. »Ja. Mach’s gut.«
Nachdem sie gegangen war, legte ich mich kurz wieder hin und wartete, bis ich die Haustür zugehen hörte. Dann atmete ich tief und langsam aus und nahm mein Telefon vom Nachttisch.
Eine neue Nachricht.
Ich öffnete sie und las:
Hi. Tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Alles in Ordnung, hab nur zu tun. Hoffe, bei dir auch alles ok. Vielleicht holen wir’s bald mal nach. Tori
Ich war so erleichtert, dass es schon fast lächerlich war. Es ging ihr also doch gut.
Du verdammter Idiot. Natürlich geht’s ihr gut.
Ich wollte das Telefon gerade wieder hinlegen, aber da fiel mir etwas ein. Wann hatte sie die SMS eigentlich geschickt? Sie musste ja ziemlich spät gekommen sein. Ich klickte die Liste der eingegangenen Nachrichten an.
Vier Uhr morgens.
Das sah ihr gar nicht ähnlich. Die ganze Zeit, in der wir zusammen gewesen waren, war sie fast immer um halb zehn, spätestens zehn im Bett. Und sie stand erst wieder im letzten Moment auf, um es noch rechtzeitig zur Arbeit zu schaffen. Es war nur ein halbes Dutzend Mal vorgekommen, dass ich in den frühen Morgenstunden von ihr eine SMS bekam, und die Erklärung dafür war immer die gleiche gewesen. Sie war mit einem Typen zusammen.
Das hatte mich fast immer unruhig gemacht, aber heute Morgen war das Gefühl mehr als nur simple Eifersucht. Außerdem stimmte noch etwas nicht mit der Nachricht. Ich las sie noch einmal und versuchte herauszukriegen, was es war.
Als ich es begriff, konnte ich an nichts anderes mehr denken.
Die Büroräume des
Anonymous Skeptic
bestanden aus einem kleinen Raum im
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