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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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angeschmutzt war. Wenn man die Augen ein bisschen zukniff, sah er wie ein Oberprimaner aus, der die Schule schwänzte. Wie die spärliche Einrichtung von Cardalls Wohnung passte auch er überhaupt nicht zum Klischee des Dealers mit Anzug, Stiefeln und dem glitzernden Charisma, das die Leute wohl mit den ranghöchsten Drogenbaronen verbanden.
    Currie blieb vor ihm stehen und nickte.
    »Charlie.«
    Drake sah ihn an. Nur in seinen Augen konnte man das wahrnehmen, was ihm im Leben Erfolg gebracht hatte, wenn man es so nennen konnte. Genau dort sah man, dass er zu den Menschen gehörte, die jemanden töten konnten, ohne dass es sie hinterher großartig belastete. Wenn man das kapiert hatte, ging es nur noch um Beschaffung und Lieferung.
    Currie starrte zurück.
    »Ich erinnere mich an Sie«, sagte Drake.
    »Ja, Sie haben meinen Sohn gekannt.«
    »Neil.«
    »Stimmt. Guter Kunde von Ihnen.«
    Drake sah ihn noch ein paar Sekunden an und betrachtete dann wieder den Wohnblock.
    »Mein Junge ist da drin, oder?«
    »Ja.« Er war selbst überrascht, dass er sagte: »Tut mir leid.«
    Drake schnalzte mit der Zunge. »Ihr springt doch wegen der Sache vor Freude an die Decke, verdammt noch mal.«
    Currie schwieg.
    »Besonders Sie.«
    »Nein, da irren Sie sich. Die Sache wird wahrscheinlich an andere übertragen werden. Wenn nicht, werde ich alles tun, was ich kann, um den zu finden, der Alex umgebracht hat. Niemand verdient das, was mit ihm passiert ist.«
    »Bemühen Sie sich nicht. Es ist nicht Ihre Sorge.«
    »Es ist Sache der Polizei, Charlie. Ob Ihnen das passt oder nicht.
Wir
werden uns darum kümmern.«
    Drake lächelte böse.
Sicher. Wir werden ja sehen
.
    »Fällt Ihnen jemand ein, der Alex hätte verletzen wollen?«
    »Vielleicht.«
    Aber das kam Currie eher wie Angeberei vor. Hinter Drakes gespielter Ruhe spürte er die gleichen menschlichen Gefühle, die jeder haben würde. Kummer und Zorn. Auch Verwirrung. Als wäre er schon eine Liste von Feinden durchgegangen und sei für diesen Vorfall nicht fündig geworden. Der Mann war verletzt und tat, was ein Raubtier unter solchen Umständen immer tut, er verbarg es.
    »Waren Sie gestern Abend mit Alex zusammen?«
    »Ja. Er hat mich gegen elf zu Hause abgesetzt.«
    »Wo waren Sie davor?«
    Drake gab keine Antwort.
    Currie löste sich vom Wagen und stellte sich vor Drake hin. Er behielt die Hände in den Taschen, blockierte bewusst die Sicht auf die Wohnungen und sorgte damit zugleich dafür, dass Drake für alle anderen nicht sichtbar war.
    »Sie werden reden«, sagte er leise.
    »Echt?«
    »Es kommt darauf an, wie Sie es haben wollen.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf den Wohnblock. »Wir werden jeden Bekannten, jede einzelne Wohnung, jede Schublade und jeden Schrank überprüfen.«
    Drake sah ihn wütend an. Currie schüttelte den Kopf.
    »Und glauben Sie ja nicht, dass Sie mich einschüchtern, Charlie, das tun Sie nämlich nicht. Wenn Ihre Jungs da weiter Ärger machen, lassen wir euch alle auf die Wache kommen. Niemand kann Sie jetzt sehen oder hören, deshalb frage ich Sie noch einmal. Wo waren Sie gestern Abend?«
    Wenn Blicke töten könnten.
    Aber Drake war schlau. Einen anderen Polizisten hätte er vielleicht mit einem Lachen abgefertigt. Er erinnerte sich jedoch an Neil und wusste, dass Currie ihn hasste. Obwohl er nicht wissen konnte, wie weit Currie fast gegangen wäre, war ihm doch klar, dass er seine Drohung ohne Rücksicht auf Folgen wahrmachen würde.
    Er wandte den Blick zur Seite. »Wir waren im Wheatfield.«
    Currie hätte fast gelacht. Überall in der Abteilung war »das Wheatfield« für Polizisten, die je mit Drake und seiner Truppe zu tun gehabt hatten, ein Synonym für jedes zweifelhafte Alibi. Es war eine kleine Enklave in der Stadt, wo die üblichen Regeln der Moral nicht zu gelten schienen, ein wenig wie der Beichtstuhl in einer Kirche. Man ging sündenbeladen rein, und wenn man herauskam, waren die Sünden auf wundersame Weise von einem genommen. »Er war im Wheatfield« hieß in etwa, dass jemand für einen Augenblick in einen Raum außerhalb der Gesellschaft getreten war, an einen Ort, wo nichts, was man tat, Folgen hatte. Wo man sich eine Auszeit nehmen konnte von jedem Gedanken an Schuld oder Verantwortung. Currie verachtete die Kneipe.
    »Den ganzen Abend?«, sagte er. »Lügen Sie mich nicht an, Charlie. Ich glaube nicht, dass Sie Zeit hatten, das mit dem Wirt abzusprechen, und ich werde jede Kamera in der Stadt überprüfen

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