Totem des Boesen
sich vernehmen. Die Natur selbst schien den Atem anzuhalten.
Nackt kniete Hidden Moon im Staub zwischen den Kadavern nieder. Sein Mund war trocken, seine Stimme klang rauh, als er sagte: »Was ist geschehen?«
»Niemand weiß es«, wurde ihm aus der Runde geantwortet. »Es war wie beim vorigen Mal - niemand hörte, sah oder spürte etwas ...«
Wyando hob den Blick - und erstarrte von neuem.
»Was ...?«
Seine Hand wies zwischen zweien seiner Brüder hindurch, zu einer Stelle, an der Lilith nichts sah. Doch gerade diese Leere war es, die den Arapaho erschreckte.
»Verschwunden«, sagte eine seiner Schwestern.
»Das sehe ich«, erwiderte Hidden Moon. »Aber warum?«
»Er war heute morgen einfach weg«, sagte ein anderer.
Lilith trat neben Hidden Moon.
»Wovon sprecht ihr?« wollte sie wissen.
»Vom Totempfahl unseres Stammes«, antwortete der Indianer und wies dorthin, wo nur noch ein Loch im Boden gähnte. »Jemand hat ihn gestohlen ... Aber wer sollte das tun ...?«
»Derselbe, der hierfür verantwortlich ist?« Liliths Blick wanderte über die toten Tiere, doch sie verspürte nicht nur Ekel angesichts der übel zugerichteten Kadaver, sondern auch eine Trauer, deren Grund ihr fremd blieb. Als wäre es nicht ihr eigenes Empfinden ...
Noch während sie auf die Adler hinabsah, merkte sie, daß sich der Kreis um sie herum enger zog. Hätten die Arapaho Schatten geworfen, wären sie schwarzen Pflöcken gleich auf sie gerichtet gewesen.
»Sie ist also jene, von der du Hilfe erhoffst?« sagte einer, und der Blick seiner dunklen Augen hing an Hidden Moon, der sich jetzt erhob und wie zum Schutz neben Lilith stellte.
Er nickte.
»Wer bist du?« fragte der andere.
»Mein Name ist Lilith Eden. Wer bist du?« erwiderte sie hart.
»Man nennt mich Lololma. Dein Name beantwortet meine Frage nicht«, sagte der andere. In seinen Augen schimmerte etwas wie Metall.
»Hat Hidden Moon euch nicht gesagt, wer ich bin?«
»Ich möchte es von dir hören«, verlangte Lololma.
Wyando trat zwischen Lilith und seinen Bruder.
»Sie kann dir nicht mehr sagen, als du schon weißt«, erklärte er.
»Vielleicht ist die Macht, die sie anders als die anderen unserer Rasse sein läßt, verantwortlich für all das«, faßte Lololma den Grund seines Mißtrauens in Worte und wies in die Runde. Die anderen Arapaho nickten mit düsterer Miene.
Hidden Moon schüttelte den Kopf. Die Überzeugung, die in der Bewegung lag, schien seine Brüder und Schwestern auf seltsame Weise zu besänftigen. Als hätte er etwas hineinfließen lassen, dem sie sich nicht verweigern konnten.
»Ich weiß, daß es nicht so ist«, sagte er ruhig, dann wandte er sich an Lilith: »Spürst du etwas?«
Lilith lächelte verunglückt. »Nein. Weil ich nicht weiß, wonach ich suchen muß.«
Sie ging in die Knie, berührte das krustige Gefieder eines Adlerkadavers - und zuckte zurück! Für einen winzigen Moment hatte sie etwas zu spüren geglaubt, schwache Energie, die in ihre Finger gebissen hatte . Doch als sie die Berührung wiederholte, geschah nichts mehr.
Achselzuckend erhob sie sich.
»Ich fühle mich erschöpft. Vielleicht kann ich euch helfen, wenn ich mich ein wenig ausgeruht habe«, meinte sie. Sie war sich keineswegs sicher, ob sie das überhaupt konnte. Weil sie sich nicht einmal ganz im klaren war, was Hidden Moon sich von ihr erhoffte.
Ihr Begleiter nickte. Er berührte sie am Arm und führte sie aus dem Kreis der anderen Vampire hinaus. Während er mit Lilith auf eines der Tipis zuging, wandte er den Kopf und sagte: »Verbrennt sie, wie Makootemane es getan hat.« Dabei wies er mit dem Kinn auf die Kadaver der Adler.
Er schlug die Büffelhaut vor dem Eingang des Tipis zurück und wies mit einer einladenden Geste hinein.
»Tritt ein. Hier wirst du Ruhe finden.«
Lilith lächelte schüchtern und schlüpfte ins Zelt. Das Rund zwischen schräg aufragenden Lederwänden war erstaunlich groß, größer, als es von außen den Anschein hatte. Ein großer Teil des Bodens war mit Fellen ausgelegt, deren bloßer Anblick genügte, Liliths Müdigkeit übermächtig werden zu lassen.
Trotzdem blieb ihr noch genug Kraft für einen Gedanken, als Hid-den Moon nach einem letzten Blick den Eingang verschloß und seine Schritte sich entfernten: Sie wünschte sich, er wäre nicht gegangen, sondern hätte sich zu ihr gelegt.
Und sie dachte dabei nicht an das schwarze Blut, das unter seiner rotbraunen Haut floß.
Nicht nur . ..
*
Die Schwärze um Lilith war nur
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