Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totem des Boesen

Totem des Boesen

Titel: Totem des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
war.
    Wyando dachte einen Gedanken, der laut wie Donner durch die imaginäre Arena rollte - und das Fremde nicht einfach nur erreichte, sondern traf!
    Worte, die ihm selbst Schmerzen bereiteten, so fremdartig klangen sie. Keine menschliche Zunge hätte sie wirklich hervorgebracht.
    Es waren die Namen der Naturseelen, die Wyando zu Hilfe rief. Der Geist des Waldes, wo er am dichtesten und dunkelsten war. Der Geist des Windes, wo er sich zum Orkan auswuchs. Der Geist des Wassers, wo es über die Stromschnellen sprang, alles mit sich reißend in brachialer Gewalt.
    Wyando sammelte all diese Macht - und entfesselt sie, als er selbst fürchten mußte, unter der Spannung schlicht zu bersten.
    Die Geister, die er gerufen hatte, schlugen dem Fremden entgegen, stürzten sich mit fast hörbarem Brüllen (das Rauschen der Tannen, das Heulen des Sturms, das Tosen des Wassers) auf seinen stofflich gewordenen Körper und begruben ihn unter sich. Ließen ihn schrumpfen, verzehrten ihn - - und konnten ihn doch nicht vernichten.
    Nichts, was wahrlich ewig war, konnte vernichtet werden. Nur vertrieben.
    Etwas wie ein Riß spaltete Wyandos mental erschaffene Welt. Für eine nicht meßbare Zeitspanne tat er sich auf und ließ einen winzigen Abglanz dessen, was dahinter lag, hindurch.
    Wyando schrie auf vor Grauen.
    Dann wurde der Leib des Fremden durch den Riß gesogen, und im gleichen Augenblick schloß sich das Loch in der Irrealität - mit einem Laut, der Wyando an das Zuschlagen eines haushohen Tores denken ließ .
    Das Echo pflanzte sich fort bis in die Wirklichkeit. Und es verebbte nicht. Risse und Sprünge in Decke, Boden und Wänden des Gewölbes weiteten sich unter dem Ausbruch jener Gewalten, die eben noch hier getobt hatten. Erste Brocken lösten sich, trafen einige der Voodoosi und ließen sie zu Boden gehen.
    An Flucht indes dachte niemand. Was geschehen war, die bloße Gegenwart des Fremden, hatte ihren Geist zerstört. Sie wußten nicht, wer sie waren noch wo sie waren, und sie mochten den Tod willkommenheißen.
    Wyandos Blick irrte durch das Gewölbe. Er brauchte Sekunden, um seinen Gedanken die Herrschaft über seinen Körper zu befehlen, und er war auch dann noch weit davon entfernt, wirklich wieder er selbst zu sein. Was er getan hatte, hatte nicht nur an seinen Kräften gezehrt, sondern sie fast verschlungen.
    Trotzdem lenkte er die Reste davon in die notwendigen Bahnen, und er schöpfte neue Kraft aus versiegelten Reservoirs seines Geistes.
    Etwas flirrte umher, nicht sichtbar, nicht hörbar, nur zu spüren, wenn man es zu deuten wußte. Jeder andere hätte es für einen eisigen Hauch gehalten, der aus dem Nichts heranwehte. Wyando aber wußte, was es tatsächlich war.
    Mit geistigen Fingern griff er danach und fing es ein, zwang es dorthin zurück, von wo es mit fremdartiger Gewalt herausgerissen worden war.
    Als hätte ein Puppenspieler zu hastig an den Fäden seiner Marionette gezogen, schlenkerte Lilith ihre Glieder und wäre gestürzt, hätte Wyando sie nicht gerade noch aufgefangen.
    Ihre Blicke begegneten sich, doch die Schleier über Liliths meergrünen Augen hatten sich noch lange nicht weit genug gehoben, als daß sie ihn erkannt hätte.
    Der Arapaho zog die Halbvampirin mit sich, zerrte sie über sich im Wahnsinn windende Menschen und Leichen hinweg, wich herabstürzenden Deckentrümmern aus. Erst als sie schließlich die Treppe hinauftaumelten, gewann das Rumoren weit hinter ihnen an Gewalt.
    Als sie die Stadt der Toten erreichten, wurde sie wie von einem Erdbeben erschüttert, das länger währte als nur ein paar Sekunden.
    Im Schatten des Grabmals von Marie Laveau ließ Wyando die Halbvampirin zu Boden sinken und blickte sich um.
    Er sah die Risse im Gemäuer des Mausoleums.
    Als hätte etwas dagegen gedroschen.
    Von innen.
    *
    Lilith erinnerte sich an nichts. Nun, an fast nichts.
    Nur an den Moment des Sterbens, dem nicht der Tod gefolgt war.
    Das Fremde hatte ihre Seele - oder das vampirische Äquivalent dessen, was einem Menschen die Seele war - aus ihrem Leib heraus-gerissen und verschlungen.
    Was danach passiert war, darüber hatte ihr Geist Vergessen gebreitet. Liliths Erinnerung setzte erst in dem Moment wieder ein, da sie am Fuße dieses schmucklosen Mausoleums inmitten von Perlenkränzen, Puppen, Muscheln und Kerzen wieder zu sich gekommen war. Aber dieses »Zusichkommen« war anders gewesen als jedes vorherige Erwachen aus Bewußtlosigkeit.
    Es war vielmehr gewesen wie - geboren zu werden.

Weitere Kostenlose Bücher