Totem des Boesen
hatte sie aus dem Schlaf gerissen - ein Stöhnen, dem sie gefolgt war und das sie letztlich zu Lololmas Tipi geführt - oder gelockt hatte ...
Im Nachhinein gewannen die Dinge für Lilith an Klarheit. Jemand hatte ihr eine Falle gestellt, und sie war wie blind hineingetappt. Wer steckte dahinter? Lololmas Mörder, natürlich. Und wer immer es war, er mußte auch den Tod der Adler verschuldet haben.
Nur - war die Frage nach dem Wer überhaupt richtig? überlegte Lilith. Mußte man nicht vielleicht eher nach dem Was fragen?
Die Antwort erfolgte von unerwarteter Seite.
Drei schattenlose Gestalten schlüpften durch den Eingang ins Tipi und bauten sich im Halbkreis vor der Gefangenen auf. Lilith erkannte sie als Chelana, Metseeh und Pacahee, die drei Vampirinnen, die sie in der Nacht hierher gebracht und gefesselt hatten. Sie hatte mit ihnen zu reden versucht, doch kein Wort war über die Lippen der drei gekommen.
Nun jedoch zeigten sie sich gesprächiger. Und was sie zu sagen hatten, ließ Lilith schaudern - zusammen mit dem, was sie in ihren Blicken las: Haß und etwas tausendfach Schlimmeres, das über blanke Bösartigkeit hinausging.
»Was wollt ihr?« fragte Lilith mit einem Trotz, von dem sie nicht wußte, woher sie ihn nahm.
»Dich«, antwortete Chelana.
»Ihr habt mich doch schon«, meinte die Halbvampirin, auf ihre Fesseln blickend.
Chelana lächelte abseitig.
»Wir wollen dich ganz. Du sollst werden wie wir«, erklärte sie.
»Was ist mit euch geschehen?« fragte Lilith.
»Die wahre Macht ist in uns, hat alles vertrieben, was uns seit Jahr-hunderten blind machte für unser wirkliches Sein.«
»Ihr habt Lololma getötet und mich zu seiner Leiche gelockt«, stellte Lilith das Offensichtliche fest. »Und ihr seid auch schuld am Tod der Adler . Ihr seid zu Verrätern an eurem Stamm geworden.«
»Nicht mehr lange, und du wirst ganz anders reden«, grinste Che-lana. »Du wirst sehen, daß wir das einzig Richtige tun. Weil du uns dann dabei unterstützen wirst.«
Lilith lachte verächtlich. »Verrate mir, warum ich das tun sollte? Was sollte mich daran hindern, einfach nach euren schlafenden Brüdern und Schwestern zu rufen, um ihnen zu zeigen, wer ihr wahrer Feind ist?«
»Das.«
Etwas Dunkles raste auf Lilith zu. Sie wollte den Kopf noch zur Seite nehmen, doch ihre Fesseln ließen ihr nicht genügend Spielraum.
Chelanas Faust traf ihre Schläfe.
Und für Lilith wurde der Tag übergangslos zur Nacht.
*
Die Dunkelheit wich nur zögernd, als Lilith nach einer Weile die Augen wieder öffnete. Schatten wogten rings um sie her, und sie war nicht sicher, ob es sich dabei nur um Nachwirkungen der Ohnmacht handelte.
Schließlich wichen die tanzenden Schatten zurück, ballten sich in Winkeln und Nischen zu wattiger Schwärze, und Liliths Augen nutzten das kaum vorhandene Licht. Sie erkannte rissige Felswände, feuchtglänzend und .
Felswände? durchfuhr es sie. Und nahtlos schloß der nächste Gedanke daran an: Wo bin ich?
Erst jetzt bemerkte sie, daß sie sich voranbewegte, ohne selbst etwas zu tun. Ihre Füße schleiften über steinigen Boden, weil harte Fäuste sie an den Armen gepackt hielten und vorwärtszogen.
Lilith wandte den Kopf. Sie sah Metseeh und Pacahee zu ihren Seiten, während Chelana zwei Schritte vorausging, tiefer in die Höhle, deren Decke in Finsternis verschwand, hinein ...
»Wo sind wir ...?« fragte Lilith krächzend. Die Folgen des Fausthiebes waren noch nicht ganz abgeklungen.
Chelana blieb stehen und trat im Herumdrehen einen Schritt zur Seite.
»Am Ziel«, sagte sie nur, und Lilith wußte, was sie meinte.
Nur ein paar Meter entfernt ragte etwas aus dem Boden - etwas, das seiner Schlichtheit zum Trotz auf eigentümliche Weise furchterregend und abstoßend wirkte.
Irgendwann mochte das Ding einmal aus Holz bestanden haben. Jetzt wirkte seine Substanz wie faulendes Fleisch, war dunkel geworden, fast schwarz. Schief und knorrig stak der Pfahl im Boden, wie der Stamm eines Baumes, den Witterung und Zeit zu einer grotesken Figur verkrüppelt hatten.
Lilith hatte ihn nie zuvor gesehen, und doch wußte sie ohne jeden Zweifel, worum es sich handelte: Dies war der Totempfahl, der aus dem Dorf der Arapaho verschwunden war. Doch Lilith war sicher, daß er ursprünglich nicht so ausgesehen hatte. Sie hatte den Eindruck, als wäre etwas in den Pfahl gefahren, das seine Form verändert und versucht hatte, ihn zu sprengen, ohne es zur Gänze zu schaffen.
Die Totemfigur, die
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