Totem des Boesen
nichts dagegen. Wir haben SEINE Ruhe gestört. ES war bereits unterwegs zu uns, als du . als du mich riefst.«
»Es? - Wer soll das sein?«
In diesem Augenblick veränderte sich die Geräuschkulisse draußen.
Isaak Germain stöhnte leise auf. Lilith glaubte einen dünnen Blutfaden aus seinem Mundwinkel treten zu sehen. Aber vielleicht war es auch nur speichelartiger Auswurf.
Der weißgekleidete Schwarze wankte. Seine bislang eng am Körper herabhängenden Arme bogen sich nach hinten, als versuchte er sich mit den Handflächen an der Tür zu stützen.
Von einem Herzschlag zum anderen setzte draußen der unterbrochene Gesang aus Kinderkehlen wieder ein - ebenso das Stakkato-spiel der Musikanten.
Lilith las die Fassungslosigkeit in Germains Blick, und es mißfiel ihr, daß nicht einmal er eine Erklärung dafür hatte, warum man die Zeremonie allem Anschein nach ohne ihn weiterführte.
»Aimee ...«, mahlte seine Zunge.
Lilith wußte intuitiv, daß er von dem Mädchen auf dem Altar sprach. Ohne zu überlegen ging sie auf Germain zu und stieß ihn zur Seite, damit er die Tür freigab. Er unternahm nicht einmal den Versuch einer Gegenwehr und kam zu Fall.
Lilith beachtete ihn nicht weiter, sondern drehte den Schlüssel im Schloß. Knarrend gab die Tür in ihren Scharnieren nach, als sie langsam aufgezogen wurde.
Durch einen solchen Spalt hatte Lilith die von Germain geleitete Feier beobachtet - nun wanderte ihr Blick erneut suchend durch das Gewölbe, das Ähnlichkeit mit einem Kirchenschiff besaß, aber frei war von wahrer christlicher Symbolik. Hie und da standen Schalen mit undefinierbarem Gebräu zwischen den Fetischen, die den Boden rings um den etwas erhöht auf einem Podest stehenden Altar bedeckten.
Aber weder den singenden, tanzenden Voodoosi, noch dem Mädchen Aimee auf dem Opferstein zollte Lilith vergleichbare Aufmerksamkeit wie .
... der Gestalt, die dort den kunstvoll geschmückten Dolch erhoben hatte, um zu vollenden, was Isaak Germain unterbrochen hatte.
Daß das Entsetzen wie kalter Nebel durch Lilith Gehirn kroch, lag daran, daß sie den Mann am Altar kannte. Oder zu kennen glaubte.
Immerhin war sein Aussehen identisch mit dem Mann, der ein paar Schritte hinter ihr auf dem Boden der Kammer kauerte und damit beschäftigt war, nicht an dem Blut, das in immer heftigeren Eruptionen aus seinem Mund quoll, zu ersticken .
Sie fuhr zu ihm herum. »Was geht hier vor? Hast du etwa einen Zwillingsbruder?«
Isaak Germain starrte aus tränenverschleierten Augen zu der Frau auf, die keine Kleidung im eigentlichen Sinn trug. Das anthrazitfarbene Etwas, das ihre weiblichen Rundungen umfloß, erinnerte viel mehr an gekonntes body painting. Hauchdünn wie getrocknete, aber elastisch gebliebene Farbe wirkte der Stoff, der sich um ihre Haut spannte.
Der Grand Commandeur stoppte den Flug seiner Gedanken.
Er starb! Zumindest fühlte er sich, als hauchte er sein Leben unter Qualen aus.
Wie Gift aus einer tödlichen Frucht, die ihre Schale in ihm geöffnet hatte, breiteten sich Krämpfe und unlöschbare Feuer in seinem Innersten aus. Halb von Sinnen starrte Germain auf das Sekret, das er in schnell aufeinanderfolgenden Schüben erbrach. Zunächst glaubte er nicht daran, daß es Blut sein könnte. Es sah aus wie der geleeartige Schleim, der aus Kauri-Muscheln troff, wenn man sie gewaltsam öffnete .
»Antworte!«
Sie erwartete wirklich eine Antwort. Sie mußte verrückt sein! Was meinte sie mit Zwillingsbruder?
Als Isaak Germain nicht darauf einging, überwand Lilith die Distanz zu ihm mit ein paar schnellen Schritten, packte ihn am Kragen seiner Robe und riß ihn vom Boden empor. Auch als er stand, das Kinn auf die Brust gestützt und immer noch sabbernd, ließ sie ihn nicht los.
Gut so, dachte er, denn aus eigener Kraft hätte er sich kaum noch aufrecht halten können. Ein teuflischer Chirurg schien das Korsett des Rückgrats aus Germains Körper entfernt zu haben. Schlapp und haltlos, als besäße er kaum Gewicht, zitterte der massige Priester im Griff der absonderlichen Besucherin.
Er wußte immer noch nicht, was sie von ihm wollte. Oder wie sie ihn dazu gebracht hatte, die Zeremonie zu unterbrechen, um zu ihr zu gehen.
Daran, daß normalerweise niemand in die Intimsphäre dieses ihm allein vorbehaltenen Raumes hätte eindringen dürfen, verschwendete der Großmeister der Voodoosi kaum noch einen Gedanken.
Es spielte wirklich keine Rolle mehr im Angesicht des Todes.
*
Ungläubig blickte Lilith auf
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