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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Zug.
     
    Nicht, dass sie nicht längst infiziert gewesen wäre. Sie hatte so oft Hermanns hoch wirksame Flüssigkeiten verabreicht und sie dabei immer wieder mit den Fingerspitzen aufgenommen, sie hatte sie in unachtsamen Momenten über die eigenen Hände und Arme vertropft, sie unzählige Male eingeatmet und über die Lunge im ganzen Körper verteilt und sogar, da es ja nicht schaden konnte, wie sie damals meinte, ihre Finger davon abgeleckt, sie über die Zunge absorbiert, im Magen verdaut und in alles Fleisch und Haut und Haare eingebaut.
    Das Angstblut aber war so voll von dem, was Wiedergänger machte, dass es sie sofort berauschte. In dem Moment fielen alle Zweifel, die sie an der Wirksamkeit noch gehabt hatte, von ihr ab. Ihr verwundeter Körper erholte sich nicht gleich, aber schöpfte so viel Kraft, dass sie ans Wegrennen denken konnte.
    Nun, da sie in sich trug, was Hermann so sehr verlangte, konnte sie ihn nach ihrem Willen steuern. Sofort, da sie das dachte, erkannte sie, wie wenig dieser Plan zu der passte, die sie bisher gewesen war. Aber sie war froh, nicht mehr so zu sein.
    Schon allein das war ungewöhnlich: Sie dachte klar und scharf, während sie bereits rannte, den schlackernden rechten Arm an sich gepresst. Sie sah alles rings um sich so klar und gesammelt, als beobachte sie in aller Ruhe, und meinte gar, dass sie mehr sah als bisher und auf jeden Fall mehr hörte und alles klarer unterscheiden und schneller einordnen konnte. Lästige Zweifel und Ängste schieden immer mehr aus.
    Sie schlug einen Bogen, da auf dem Weg Richtung Dorf und Kloster ihr nun eine Abordnung von Pikenträgern entgegen strebte. Während der Pöbel sinnlos tobte, seine Kräfte zerstreute und außer Rand und Band geriet, hatte die Stadtgewalt sehr wohl ihren Frevel beobachtet, ihr, wie sie ahnte, den Angriff des Wiedergängers mit angerechnet und sie nun zur Ergreifung ausgesetzt.
    Ohnehin wollte sie nicht mehr gleich ins Kloster. Der Fürstbischof konnte nichts ahnen von dem, was hier vorgefallen war. Er würde seine Hand über sie halten, wie er es immer getan hatte. Und er war der Herr der Klosters. Von der Burg aus konnte sie Hermann packen und in die Richtung zerren, die ihr beliebte. Sie war nun kein Opfer mehr. Von nun an würde es nach ihren Wünschen gehen oder gar nicht.
     
    Dass sie sich damit nun doch überschätzte, wurde Maria klar, als sie am vorgelagerten Burggraben auf eine erste Schar von Wiedergängern traf. Wie sie es immer taten, hoben sie die Nase witternd in die Luft und prüften ihre Ausdünstungen. Zwei der fünf Toten sahen entsetzlicher aus als Maria es je gesehen hatte. Im einen erkannte sie den Koch der Burg, im anderen einen der Torwächter. Ihre Leiber waren so entblößt und zerfressen und wie überschüttet mit Blut, dass es anmutete, als habe ein am Leib gehäutetes und halb zerlegtes Schwein sich von der Schlachtbank erhoben.
    Maria folgte, da sie sich von ihr abwandten, dem Graben zum ersten Übergang, der unbewacht war, erreichte ungehindert den zweiten Wall und überquerte den zweiten Graben. Nun war sie nahe genug an der Burg, um ihre Ahnungen bestätigt zu sehen: Sie war unbewacht, also gefallen und wohl gänzlich in der Hand der Wiedergänger. Sie sah zwei von ihnen ziellos und mit leeren Blicken über den Wehrgang rechts vom Torturm schlurfen.
    Einer davon war ein Mönch, aber keiner aus diesem Kloster; die andere mochte im Leben eine reiche Bürgersfrau gewesen sein, aber ihre prunkvollen Gewänder waren verblasst und eingegraut vom Liegen in der Gruft, und ihre Haut war wie Papier. Erstmals dämmerte Maria, da sie diese beiden Toten nicht kannte, dass Hermann auch andere Verabreicher als sie gehabt haben oder selbst mit seiner Mixtur unterwegs gewesen sein könnte.
    Je näher sie der Burg kam, desto hoffnungsloser wurde sie, den Fürstbischof noch lebend anzutreffen. Da die Zugbrücke am Haupttor zur Hälfte eingeholt und das Tor verschlossen war, musste ein Abwehrkampf stattgefunden haben und verloren gegangen sein.
    Natürlich war nicht ausgeschlossen, dass sich einzelne Überlebende in der Kernburg verschanzt hatten. Aber wie sollte sie selbst nun da hin gelangen? Das Bubenstück, jederzeit in den Gemächern des Fürstbischofs zu erscheinen, hatte nur gelingen können, da sie Wachmänner in sich verliebt gemacht und für ihre Zwecke besäuselt hatte. Damit war es ja nun vorbei.
    Sie beschloss gerade, da sie offenbar von den Stadtleuten nicht weiter verfolgt worden war, nun

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