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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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vor Erschütterung. „Wir haben dich vor zwei Wochen beigesetzt!“
    Da die Tote weiter schlurfte und sich ihm nicht mal zuwandte, rief er nun Maria an: „Wie kommt sie aus ihrer Gruft und in deine Nähe? Was hast du mit ihr getan?“
    „Gar nichts. Ich kenne sie nicht. Sie war schon hier.“
    Obwohl sie nicht log, was diese Wiedergängerin betraf, war Maria klar, dass sie schuldbewusst klang, denn natürlich wusste sie weit mehr davon, was hier vor sich ging, als der ahnungslose Stadtkommandant.
    „Diese Bestien fressen Menschen. Du bist längst als Verursacherin dieses Übels erkannt, Maria Berkel. Der stellvertretende Burgkommandant hat unter Einfluss deines Zaubers die Stadt heimgesucht. Stelle dich nun deinen Schicksal und öffne das Tor!“
    Hinter dem Pferd Melchior Krippes, am Rande des Burggrabens, sah Maria eine Abordnung Fußvolk einen Rammbock in Stellung bringen. Es war, um sie einzuschüchtern, aber da die Zugbrücke schräg hing und die Torbrücke damit ins Leere führte, blieb sie zunächst ruhig – bis der Stadtkommandant einen Wink gab, der um die Vorburg-Mauer herum auf die Ausfallpforte deutete.
    „So hast du dich entschieden“, rief er noch, aber schon desinteressiert und da oben für Maria kaum noch vernehmbar. Die Hauptstoßrichtung der Stadt-Hundertschaft wandte sich nun der Burgrückseite zu.
    Maria sah einen Wiedergänger träge und taumelnd den letzten Meter des Burggrabens erklimmen, sich aufrichten und nach dem Fuß eines Berittenen grabschen. Der blieb gelassen, zückte sein Schwert und hieb den Kopf des Angreifers mit einem Streich ab. Der Körper klappte zusammen, der Kopf rollte den Graben hinab und blieb in einer Pfütze mit dem Gesicht nach unten liegen.
    „Ich bin unverletzbar“, dachte Maria für einen Moment. „Was können die mich kümmern?“
    Aber das war sie eben nicht. Die Schmerzen jeder Verletzung fühlte sie wie zuvor und gar stärker noch. Wohl war sie auch sterblich und dazu verdammt, zur Wiedergängerin zu werden wie all die anderen. Und man konnte ihr den Kopf genauso abschlagen wie dem armen Wurm da unten im Graben. Ergeben kam nicht in Frage!
     
    Burgvogt Franz von Neuminingen war reif.
    Seit zwei Tagen steckte er nun im Stock. Den ersten Tag hatte er durchgehalten, die Schmerzen ignoriert und keinen Laut von sich gegeben. So geziemte es sich für einen Kriegsmann, und ohnehin sah er sich selbst als einen ganz Harten, der aller Folter widerstand. Sollten sie ihn doch holen und noch viel schlimmerer Pein aussetzen! Er hatte sich nichts vorzuwerfen, und falsch Zeugnis reden würde er niemals.
    Die Nacht des ersten Tages hatte alles in ihm verändert und seinen Willen gebrochen. Er schämte sich dafür, aber kam nicht dagegen an. In dieser völligen Finsternis und Kälte, in die sie ihn gesteckt hatten, wusste er ja nicht, dass Nacht war, aber es fühlte sich so an, da er lähmend müde wurde, ohne Schlaf zu finden, und die Stadt war ganz ruhig über ihm.
    Hunger, Durst, Krämpfe, diese Qual immerzu. Bald schon saß er in seiner eigenen Nässe, und das war es auch, was seine Entschlossenheit kippen ließ. Eine solch schmähliche Behandlung ertrug er einfach nicht. Er war von hoher Herkunft. Diese Barbaren ignorierten sein Recht auf angemessene Gefangenschaft.
    Dass er überhaupt keine Gefangenschaft verdiente, kam noch hinzu, und genau das war maßgeblich für seine Weichheit. Denn ob ungerecht oder nicht, er fühlte sich schuldig. Er wusste nicht, was er getan haben könnte noch hatte er in Wahrheit etwas getan, aber die Behandlung als Verbrecher machte ihn dazu, auch vor sich selbst. Alles in ihm wollte, dass es endete, egal, was er dafür tun müsste.
    Aber niemand kümmerte sich um ihn. Nicht ein einziges mal war die Tür aufgegangen, seit sie ihn in den Stock gezwungen und eingekerkert hatten. Er hörte Schritte draußen auf dem Gang, ständig. Und so brüllte er nun seit einem ganzen Tag fast ununterbrochen. Er brüllte, was sein vom Durst rau und inzwischen den ganzen Schlund hinauf wund gewordener Hals hergab. Er wollte gestehen. Er wusste nicht, was, aber das würden sie ihm schon sagen.
    Als die Tür endlich aufging, hatte er kaum noch Stimme. Sie leuchteten ihm mit Kerzen ins Gesicht, schüttelten die Köpfe und grinsten höhnisch über seinen schnellen Niedergang. Angesprochen wurde er von ihnen erst, als sie wieder ernst waren und gerechten Zorn in ihre Stimmen legen konnten. Er hörte heraus, das war kein Theater. Etwas war passiert, das sie

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