Toten-Welt (German Edition)
ihm vorwarfen, und sie waren überzeugt, dass er schuldig sei.
„Franz von Neuminingen, Ihr werdet beschuldigt der Verschwörung und Mitwirkung an Hexerei und Schadenszauber gegen unsere Stadt. Wie bekennet Ihr Euch?“
„Geht es... hier nicht um... die Reichsstadtpläne?“, fragte er und wunderte sich, wie sachlich er klang. Die Vorwürfe kamen so unerwartet und waren derart abwegig und infam, dass er es so lange wie möglich hinauszögern wollte, darauf einzugehen, um bloß keinen Fehler mit einer vorschnellen Antwort zu machen.
„Es geht hier darum, dass Euer stellvertretender Burgkommandant zwei Marktweiber todgebissen und halb aufgefressen hat unter den Augen der ganzen Stadt und gegen zwei bewaffnete Wachleute mit der Kraft eines tollwütigen Ochsen.“
„Davon weiß ich... weiß ich wirklich nichts. Bernkaller war das? Wieso?“
Er wusste ja wirklich nichts, aber hörte sich nach einem Lügner an. Seine Zwangslage bewirkte, dass jedes Wort nach einer Ausrede klang. Er hockte da am Boden mit gebeugtem Rücken und vorstreckten Armen und Beinen, die an den Vordergelenken blutig gescheuert waren. Hände und Füße waren eiskalt und wie abgestorben.
Die Inquisitoren standen über ihm und blendeten ihn. Da er seinen Oberkörper nicht bewegen konnte, musste er den Hals nach oben verrenken, um sie ansehen zu können, was scheußlich weh tat, so dass er dauernd wieder weg und nach unten sehen musste. Und weil er in der Finsternis jenseits der Kerzen ihre Augen nicht sah, hatte er selbst das Gefühl, ihnen nicht in die Augen schauen zu können. Seine Verzweiflung hätte nicht größer sein können, aber die nächste Frage bewirkte noch eine Steigerung.
„Welcher Art ist Eure Beziehung zu der Hexe Maria Berkel?“
Einer der Stadtherren, er vermutete einen Vertreter des Halsgerichts, ging vor ihm in die Hocke, leuchtete ihm ganz nah ins Gesicht, und von Neuminingen wusste, das war nun die entscheidende Antwort. Sie wollten jeden Schimmer seiner Mimik sehen.
„Wieso Hexe? Sie behandelt den Fürstbischof gegen mancherlei seiner Leiden. Ansonsten lebt sie außerhalb der Burg im Wald und hat mit uns nichts zu schaffen.“
„Bestreitet Ihr also, dass sie eine Hexe sei?“
„Ich bestreite nur, irgend etwas darüber zu wissen.“
Er fühlte, wie er an neuer Kraft gewann. Es ging gar nicht um ihn. Sie missbrauchten ihn zur Bezichtigung einer Unschuldigen.
„Franz von Neuminingen, überlegt Euch die Antwort nun gut: Ist Maria Berkel vom Teufel besessen oder hat sie Euch behext es zu leugnen?“
„Bei einer solchen Frage... ist es ja egal, wie ich antworte. Mein Scheiterhaufen steht wohl schon jetzt neben dem ihren.“
„Einen Mann wie Euch können wir nicht brennen lassen, das wisst Ihr wohl. Nicht nach unserer Abmachung. Aber wir haben in diesem Keller eine Kammer, deren Instrumente Euch weit Schlimmeres abverlangen können als ein Feuer. Euer Geständnis bekommen wir so oder so.“
„Ich kann nichts gestehen, was ich nicht weiß.“
Er hatte die Antwort, von seinem Stolz geleitet, gegen seine Angst gesprochen. Aber ganz so mutig, wie er da vor sich selbst tat, war er eben nicht. Es war ein Spiel, mit dem Männer seines Schlages – er und die Inquisitoren - so vertraut waren, dass die Erwiderung folgte, wie erwartet.
„Dann frage ich anders: Habt Ihr jemals gesehen und zugelassen, dass die Hexe Maria Berkel etwas dem Fürstbischof oder anderen verabreicht hat, das ihn wider die Natur geheilt und in seinem Wesen verändert hat?“
Bei dieser Antwort nun musste er nicht zögern, und er musste sich nicht als Verräter fühlen gegenüber der jungen schönen Frau, die er für harmlos hielt und in die er nach wie vor verliebt war.
„Das kann ich nicht leugnen.“
„So wissen wir nun Bescheid.“
Der Stadtherr, der neben ihm gekniet und ihm ins Gesicht geleuchtet hatte, war aufgestanden und hatte sich zu den anderen gesellt.
„Was ist denn überhaupt passiert?“
Sie standen mit ihren schwarzen Köpfen hinter den grellen Kerzen und schwiegen ihn an. Also setzte er nach.
„Soll Maria schuld sein an diesem... Angriff auf dem Markt, von dem Ihr gesprochen habt? Was hat denn der Bernkaller gestanden? Dass sie ihn verhext habe?“
„Ihr wisst also, dass es auf dem Markt geschehen ist?“
„Nein. Ihr habt doch gesagt, es ging um Marktweiber, also...“
Da sie nicht antworteten, überwog sein Interesse an sich selbst schnell die Neugier über die Hintergründe seiner Anklage.
„Was ist? Ihr
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