Toten-Welt (German Edition)
einem mächtigen Donnerschlag gegen das Durchschlupf-Innentor der Vorburg. Da waren sie also.
Der erste, den sie hereinschickten, trug eine Ganzkörper-Rüstung mit Helm und Visier wie zu besten Ritterzeiten. Gegen die neuen Feuerwaffen hielten die dünnen Metallplatten nicht stand, und so sah man eingerüstete Kämpfer immer seltener, außer bei festlichen Anlässen. In diesem Fall aber hatten sie recht getan, das traditionelle Kampfzeug mitzuführen, denn mit Zähnen gab es daran gar nichts auszurichten.
Womit sie aber nicht gerechnet hatten, war die schiere Masse der lauernden Toten. So langsam sie waren, der Gepanzerte war es erst recht. Bereit, mit seinem gezückten Schwert Köpfe rollen zu lassen, hatte der Metallmann sich etwas zu weit in den Hof der Vorburg gewagt. Nun, da sie von allen Seiten auf ihn zustrebten und ihr gieriges Stöhnen jeden anderen Laut übertönte, besann er sich zur Flucht.
Rückwärts laufen bekam ihm nicht. Seine Sporen verhakten sich, er strauchelte, aber fing sich. Ehe er einen kleinen Bogen beschrieben und sich dem Durchschlupf zugewandt hatte, wo seine Kameraden sich drängten und auf Befehle warteten, hatten die Wiedergänger ihn eingekreist und rissen ihn auch schon zu Boden.
Zwei mutige, aber ungerüstete Mitkämpfer, die mit bloßen Schwertern ihm zu Hilfe eilen wollten, sollten es sofort bereuen. Ein, zwei Hiebe brachte jeder an, aber sie schnitten wirkungslos in totes Fleisch, ohne auch nur einen Kopf abzutrennen.
Der eine ließ sein Schwert noch tanzen, da kreischte der andere unter den ersten Bissen schon auf und wurde regelrecht zerfetzt. Bevor es auch dem anderen an den Kragen ging, hatten sie dem gerüsteten Ritter eine erste Harnisch-Platte vom Arm abgerissen und schon zugebissen. Nun heulte auch er auf wie ein waidwundes Tier, und die Todesschreie des Dritten ließen nicht mehr länger auf sich warten.
Maria sah die Meute der Angreifer am Durchschlupf zurückweichen. Sofort drängten die Toten nach, und was in dem engen Gang, den Maria eben erst selbst passiert hatte, sich abspielen mochte, konnte sie sich an den Schreien dort zusammenreimen. Für sie selbst war die Gefahr damit fürs Erste gebannt.
Bestimmt aber würden sie die Burg weiter belagern. Und so beschloss Maria, in Küchen und Kellern der Kernburg nach Vorräten zu stöbern und sich damit ein sicheres Plätzchen in der Nähe der Zisterne zu suchen. Erst dann wollte sie sehen, ob noch lebende Vertreter der Burgbesatzung sich irgendwo verschanzt hatten und ob der Fürstbischof unter ihnen sei.
Maria wandte sich der Kernburg zu und hielt, da sie es vermeiden wollte, drei Meter in die Tiefe zu springen, nach einem Abstieg Ausschau.
Da sah sie etwas, das sie ihre Pläne vergessen ließ und sie zu sofortigem Handeln zwang.
Als Carolus Melchenhain die Augen aufschlug, erschien ihm das erste Bild, das er sah, wie aus den entsetzlichsten Alpträumen, die ein Mensch nur haben konnte. Noch immer lag er gefesselt und gestreckt am Boden. Der Hang um ihn aber war geräumt von Menschen, und das Schafott lag eingestürzt in Trümmern.
Das alles begriff er nicht recht, weil sein Verstand nicht mehr der war, den er hatte, bevor ihm dieser teuflische Engel die Kehle zerfetzt hatte. Auch dessen war er sich bewusst, aber er spürte keine Schmerzen, er spürte keine Angst – er war ein anderer geworden. Was er spürte, war Gier.
Die Bewegung schräg über ihm war das erste, was er klar sah und wahrnahm, seit er in seinem alten Leben die Augen für immer geschlossen hatte. Er erkannte seinen Mitverurteilten, der ihn zuvor mit der Gier angeglotzt hatte, die er nun selbst fühlte. Noch immer hing er mit den Händen in Ketten geschmiedet einen halben Meter über dem Boden und zappelte und riss an seinen Fesseln als gebe es keinen Zweifel, dass er es irgendwann ganz sicher schaffen würde, sich zu befreien.
Die Art, wie er das nun endlich schaffte, schockte Carolus Melchenhain noch einmal in dem, was das Restleuchten seiner entweichenden Seele an menschlichen Gefühlen hergab. Das aufgehängte Biest, das in seinem vorherigen Leben stellvertretender Burgkommandant und auf den Namen Lorenz Bernkaller getauft gewesen war, hatte es durch stundenlanges Reißen und Zerren unter Einsatz seines vollen Körpergewichtes geschafft, die Knorpel- und Sehnenverbindungen seiner Handgelenke mürbe zu machen und durchzuscheuern, so dass nun der Rest an Zähigkeit wich, die letzten Fetzen der durchgescheuerten Haut rissen und er wie
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