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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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klebte am eigenen eingetrockneten Blut fest, als sie die Augen wieder aufschlug. Das bereitete ihr zunächst mehr Verwirrung als die Tatsache, überhaupt wieder zu Bewusstsein zu kommen. Ihren Namen kannte sie nicht mehr, aber dass sie schon mal dagewesen war und längst nicht mehr da sein sollte, das geisterte durch ihr durchlöchertes Hirn wie ein verblassender Traum.
    Sie hatte Hunger. Als sie das erst mal merkte, war alles andere vergessen. Mit einem Ruck zerrte sie ihren Kopf los. Ein Büschel ihrer Haare blieb dabei kleben und riss samt einem beachtlichen Fetzen Haut vom Schädel, aber das konnte ihren Anblick kaum noch verschlimmern.
    Zweimal gestorben zu sein, bekam ihrem Äußeren überhaupt nicht. Die bläulich grüne Haut spannte am ganzen Gesicht, die Lippen waren eingeschrumpft und entblößten die Zähne. Ihre Leichenstarre blieb zum Teil erhalten, und so sah ihr Körper, als sie es erst mal auf die Füße geschafft hatte, wie der wandelnde Kreideumriss eines verrenkten Mordopfers aus.
    Die Richtung, in die sie sich spontan in Bewegung gesetzt hatte, behielt sie bei, und sie würde sie beibehalten, bis sie auf Nahrung traf. Hindernisse wie die herumstehenden Autos oder Häuser umrundete sie nach Amöben-Art, indem sie dagegen prallte und so lange daran entlang drängte und rutschte, bis sie auf der anderen Seite war und ohne Hindernis weiter wanken konnte.
    Auf ihrem Weg durch die Stadt begegnete ihr so mancher Vertreter ihrer nun schon wieder neuen Art der noch toteren Toten. Auf die Schädel einzuschlagen oder, falls Waffe vorhanden, zu schießen, um die Angreifer auszuschalten, dieses Mittel, sich zu wehren, hatte sich unter den Menschen rasch verbreitet. Man hatte sich siegessicher gefühlt und irgendwie wohlig zu Hause in vergangenen Zeiten. An den Zombie-Filmen war eben doch was Wahres dran.
    War es aber nicht. Wiccas Zombies funktionierten auch mit halbem Hirn noch. Sie brauchten nur etwas Zeit für den Neustart.
    Und so wimmelte es, da sie alle etwa gleich lang rebootet hatten, innerhalb von Stunden wieder vor Zweibeinern in Städten und Dörfern rings um den Ausbreitungsherd.
     
    Eines der ersten Opfer dieser neuen Entwicklung war der Hase. Er fühlte sich als der, zu dem Wicca ihn gemacht hatte, ziemlich sicher. Bisher war er es ja auch gewesen. Erst recht wähnte er sich unangreifbar bei der Begegnung mit einer Kreatur, wie sie nun vor ihm stand. Auf den ersten Blick konnte er das, was ihm da entgegentaumelte, nicht mal einordnen, denn es hatte kein Gesicht. Es trug nur einen Kittel und war so aufgedunsen, dass auch die Körperproportionen keinen Hinweis gaben ob männlich oder weiblich.
    In Gedanken war der Hase sowieso noch ganz woanders. Man hatte ihn nicht in die Burg gelassen. Zwei von seiner Art, mit dem Mittel infiziert, aber nicht tot, hatten ihn abgewiesen – einer aus einer Schießscharte des Torturms krakeelend, der andere über den Wehrgang gelehnt.
    „Es gibt kein Mittel mehr.“
    „Ich will auch keines.“
    „Verschwinde!“
    „Ich habe wichtige Nachrichten für Wicca. In der Kaserne...“
    Da hatten sie auf ihn geschossen.
    Erst hatte er gar nicht begriffen, was ihm da um die Ohren pfiff. Es war lautlos und wirkte harmlos und veraltet und brandgefährlich zugleich. Dann traf ihn etwas in der Schulter. Das Ding hatte Federn. Und es tat ihm sauweh.
    Der Typ auf dem Wehrgang lachte triumphierend, zückte ein Stäbchen, das wie ein zu kurz geratener Indianerpfeil aussah und spannte es in ein Gerät, das allerdings mit einem Indianerbogen wenig Ähnlichkeit hatte. Die Wirkung war vergleichbar, nur viel verheerender.
    „Was glotzt du so? Hast du noch nie ne Armbrust gesehen?“
    „Du musst ihm ins Auge schießen. Anders wird das nichts“, rief der andere Wächter durch seine Schießscharte.
    Der Hase hatte tatsächlich noch nie eine Armbrust gesehen noch je davon gehört. Helfert hatte ihn und seinen Bruder die meiste Zeit eingesperrt und von der Außenwelt völlig isoliert. Aber dass ihm ins Auge geschossen werden sollte, mit was auch immer, ließ ihn sofort herumzucken und das Weite suchen.
    Zwei der Geschosse holten ihn noch ein und sirrten knapp an ihm vorbei. Dann war er um die erste Biegung des Weges und damit in Deckung. Wild zerrte er an dem Pfeil in seiner Schulter, aber bekam ihn nicht heraus. Er drehte das Ding und ruckte daran und schaffte es schließlich mit brutaler Gewalt gegen sich selbst.
    Die Pfeilspitze war auch in die Gegenrichtung scharf wie ein Messer.

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