Toten-Welt (German Edition)
imprägnierten Innereien.
Die eigentliche Katastrophe aber lag in der Begegnung, die ihr das Hinausschleichen einbrachte, eine einseitige Begegnung ohne Bemerken ihrerseits, von der sie erst erfahren sollte, als es schon zu spät war.
Frieda Berger. Das, was von ihr übrig war. Es stand gierend vor Fleischhunger an der eisenbeschlagenen Holztür, hinter der Amelie sie, vermeintlich zu ihrem eigenen Schutz, verkerkert hatte. Es gab nichts, was sie vor sich selbst schützte oder andere vor ihr. Denn sie hatte etwas erreicht.
So brutal und lange hatte sie inzwischen an die Tür gehämmert, dass die Knochen ihrer Handunterseiten bloßlagen. Die Tür hielt. Aber irgendwas war passiert. Ihre Augen meldeten ihr eine Veränderung, nur ihre abgestumpfte Intelligenz wusste damit nichts anzufangen. Noch nicht.
Sie starte auf den kleinen Lichtblitz vor ihren Füßen und begriff, irgendwie, dass darin mehr Freiheit lag als in allem, was sie sonst tun konnte mit Fäusten oder auch Steinen, so sie welche gehabt hätte, aber das Verlies war glatt und ohne brauchbaren Inhalt. Irgendwann, ganz irgendwann nach irrem, irre-langem Starren funkte eine tote Gehirnzelle einer anderen toten Gehirnzelle ein Signal, etwas vernetzte sich neu und stieß weitere neue Vernetzungen an.
Sie begriff, dass sie sich bücken musste, um zu sehen, was da unten passiert war. Bücken war besser als weiter zu hämmern.
Vor dem Türspalt lag etwas Metallisches und reflektierte einen Hauch von kaum vorhandenem Tageslicht in ihr stockdunkles Verlies. Ihr stundenlanges Hämmern gegen die Tür hatte den Schlüssel aus dem Loch befördert und vor den Spalt fallen lassen. Und der Spalt dieser uralten, verzogenen Holztür war breit genug für Friedas Totenfinger.
Noch wusste sie nicht, was sie da zu sich nach innen fischte. Sie befühlte das kalte, glatte, seltsam geformte Ding und ahnte irgendwie, dass es ihr hilfreich sein würde, noch bevor sie es gegen die Tür stieß, um nach dem passenden Loch zu suchen.
Es dauerte noch mal eine ganze Weile, bis sie das Schlüsselloch gefunden hatte, bis sie heraus hatte, dass sie herumdrehen und entsperren musste, aber irgendwann hatte sie die Tür geöffnet und sich selbst befreit. Freude darüber fühlte sie ebensowenig wie Schmerz wegen ihrer zerschundenen Hände, aber ein gewisser Vorwärtsdrang erfasste sie doch.
Zielstrebig irrte sie durch die Gewölbe, immer dem stets etwas heller werdenden Lichtschimmer nach, kam an eine Treppe, stieg hinauf und hörte plötzlich Schritte.
Wieder war es nur Instinkt, eine Art untoter Überlebensinstinkt, der sie an der letzten Treppenstufe vor dem Erdgeschosstrakt dieses Burgabschnitts innehalten und sich in den Schatten ducken ließ.
Es war sie! Dieses verdammte Scheusal, das ihr das Leben geraubt und sie zum auch Monster gemacht hatte!
Nicht, dass Frieda noch Rachegelüste oder gar Pläne gehabt hätte. Wicca hatte sie vergessen gehabt. Ihr untotes Denken war einzig vom Drang nach Fleisch erfüllt. Und doch, als sie ihre einstige Chefin nun den Gang entlang huschen sah, kam etwas in ihr hoch, das auch die alte Frieda gefühlt hätte, lenkte sie vom Wittern nach Beute ab und hinderte sie daran, überhastet zu reagieren und sich einfach auf die Gegnerin zu stürzen, denn die war ihr überlegen, so viel war sicher.
Frieda nahm die letzte Stufe erst, als Wicca um die nächste Ecke war, schlappte den Gang entlang hinterher und bemühte sich sogar, ihre Laufgeräusche zu dämpfen. Sie wusste nicht, was sie von dieser Hexe wollte, was sie machen würde, wenn sich eine Chance ergäbe, etwas zu machen, aber sie würde an ihr dranbleiben. Und dann irgendwas tun. Egal was.
Polizeihauptkommissar Werner Mertel litt an Schuldgefühlen. Er redete sich ein, dass er nichts Schlimmes getan, der Menschheit sogar einen Dienst erwiesen hatte. Aber das schlechte Gewissen blieb. Er hatte eine Frau erschossen. Eine unbewaffnete Frau. Hätte er es nicht getan, wäre sie wohl über ihn hergefallen. Trotzdem. Hatte er sie gleich töten müssen?
Aber was denn sonst? Einsperren? In einer solchen Welt? Diese Biester mussten eliminiert werden. Sie fraßen Menschen, und die wurden infiziert und fraßen wieder andere Menschen. Das war eine Seuche. Und trotzdem. Diese Frau hatte gesprochen und sich fast normal verhalten.
Mertel erreichte die Polizeiinspektion und parkte direkt vor dem Haupteingang mitten im Halteverbot. So abartig das war, aber irgendwie machte diese neue Welt auch Spaß. Man
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