Toten-Welt (German Edition)
wollte sehen, was es da draußen gab. Und sie war neugierig darauf, wie weit und massiv ihr Mittel in die Ferne gewirkt hatte. Wicca gab Gas, würgte den Gang rein und legte einen Kickstart hin, dass die Reifen quietschten.
Hinter ihr, auf der Ladefläche, polterte die lauernde Frieda aufs Blech und fing sich an der hinteren Luke. Sie hatte das jetzt satt! Irgendwas würde ihr einfallen, um das Mistvieh am Steuer zu bestrafen.
Ihr Blick fiel auf ein Radkreuz, das im hinteren, dem Werkzeugbereich des Krankentransportfahrzeugs, neben allerlei anderem Gerät verstaut war. Die Scheibe zur Fahrerkabine war groß genug, um hindurch zu klettern. Sie musste nur die Trennscheibe einschlagen.
Dass die sich vielleicht auch von hinten aufschieben ließ, kam ihr gar nicht in den Sinn. Es war ihr nach Zerstörung. Sie packte das massive Eisending und krabbelte damit auf allen Vieren nach vorn. Zum Laufen war es zu wackelig, denn Wicca hatte inzwischen auf Maximalgeschwindigkeit beschleunigt und war nicht gerade eine sichere Fahrerin. Der Bus schwankte und wankte im Fahrtwind und unter unsicheren Lenkbewegungen gefährlich hin und her.
Frieda kannte die Gegebenheiten des Landkreises hier nicht, denn sie war ja von auswärts. Wicca kannte sie nicht, da sie nie so weit über die Stadt hinaus in diese Richtung unterwegs gewesen war. Beide sahen die Felsformation, die unweit auftauchte, sahen die scharfe Kurve, mit der sich die Straße herum schwang, aber Frieda hatte nicht mehr genug Grips, um diese Information zu verarbeiten, Wicca zu wenig Fahrerfahrung.
Frieda zertrümmerte die Scheibe genau in dem Moment, in dem man die Fahrerin unter keinen Umständen hätte ablenken dürfen. Die Geschwindigkeit betrug 158 Stundenkilometer. Und im Vorfeld der Kurve standen zwei Fahrzeuge quer.
Hauptgefreiter Jens Niedermüller hatte das Gefühl, die Welt sei schon gerettet, als aus den Wohngebieten des Stadtteils Alte Wüstung plötzlich in Scharen Menschen herbei strömten, echte Menschen, und sich ihnen anschließen wollten.
Für eine Minute lag einen Katastrophe in der Luft. Der Voraustrupp hatte an der Kreuzung zur Burg mit den Flammenwerfern alles gesäubert, was an Ü1 bis Ü3 zusammengelaufen war und angegriffen hatte. Bis der Hauptkonvoi, die Fußsoldaten und die Nachhut den Sattel erreicht hatten, den Kreuzungspunkt, von dem aus man sowohl die Innenstadt wie auch die Kaserne auf der anderen Seite sehen konnte und freien Blick auf die Burg hatte, war der Säuberungstrupp bereits hinter der ersten Serpentine des Burgberges verschwunden.
Das war ein weiterer Hinweis, dass dieser Oberst kein echter Soldat war, wie Niedermüller fand. Denn als nun die zweite Welle von Fußvolk heranströmte, war die marschierende Truppe bis auf die eigene Bewaffnung praktisch schutzlos. Einem Ansturm Hunderter Überträger hätte man nicht viel entgegenzusetzen gehabt.
In dieser Situation, erstmals, bewährte sich der Oberst mit einer Nervenstärke, die Niedermüller Respekt abnötigte. Er sprang aus dem noch rollenden Transportfahrzeug, das bereits den Weg zur Burg eingeschlagen hatte, rannte zurück zur Kreuzung, allein, unbewaffnet und mit erhobenen Händen, und warf sich genau zwischen die anstürmenden Massen Fremder und die eigene Truppe, die mit gezückten Gewehren kurz davor war, ohne Befehl blindlings zu feuern.
Der Oberst schüttelte Hände, unglaublich. Aber Niedermüller sah auch, dass er jedem, den er auf die Art an sich heranließ, zunächst prüfend in die Augen schaute. Die Leute gestikulierten, manche gebärdeten sich wie am Rande der Erschöpfung, aber überwiegend sah man Gesten der Erleichterung.
Dann aber versteiften sich diejenigen, mit denen der Oberst sprach, wehrten ab und deuteten auf die Truppe. War ja klar, was da passierte. Die wollten mitkommen. Niedermüller schüttelte den Kopf über die Naivität dieser Leute. Aber erst beim Gedanken daran, mit einer Horde Zivilisten auf Ü-Jagd zu gehen, wurde ihm die Aussichtslosigkeit ihrer eigenen Mission klar. Da waren die Menschen, wegen denen man zum Kampf angetreten war. Aber letztlich konnte man nichts für sie tun. Man konnte so viele Ü wie möglich wegschmoren, aber wenn die ganze Welt verseucht war, konnte man es auch gleich ganz lassen.
Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr kam er zu dem Schluss, dass dies nun eine Welt für Einzelkämpfer oder kleine Grüppchen war, aber keine mehr für geordnetes, zielgerichtetes militärisches Vorgehen, schon gar nicht mit
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