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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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die Spur, die er in Helferts Haus gefunden hatte, war zu heiß. Fluchend zückte er seine Pistole, packte das Laptop, das er auf dem Beifahrersitz liegen hatte, und schlich sich an das Lumpensammlerfahrzeug heran.
    Die Fenster des Iltis waren geschlossen, Fahrer und Beifahrer, beide voll aufgerödelt und behelmt, glotzten nach vorn. Mertel schien das alles so menschlich und echt und unverdächtig, dass er seinem Instinkt folgte, sein Misstrauen überwand, offen an das Fahrzeug herantrat und an die Fahrer-Seitenscheibe klopfte. Der Soldat zuckte zusammen und geriet in Panik, weil er offenbar nach einer Waffe greifen wollte, aber nicht herankam.
    Mertel hatte, bevor er sich zu erkennen gegeben hatte, seine Marke hervorgeholt. Die präsentierte er nun, die Waffe in der anderen Hand defensiv nach unten gerichtet und das Laptop unter den Arm geklemmt. Laut rief er: „Ich bin ein Mensch, kein Zombie. Schauen Sie mir in die Augen.“
    Fahrer und Beifahrer beruhigten sich sichtlich, aber hielten Türen und Fenster geschlossen. Der Fahrer machte eine Handbewegung, dass Mertel warten sollte, griff zum Funkgerät und sprach so leise, dass außer einem Wispern nichts zu verstehen war, obwohl der Iltis nicht gerade ein Wunder an Abdichtung darstellte. Ein Blick zur Truppe ließ ihn den Kopf schütteln. Keiner der wartenden Soldaten hatte auch nur gezuckt, geschweige denn sich umgedreht. War das nun besondere Disziplin oder Dummheit oder postapokalyptische Lethargie?
    „Nach hinten zu sichern, fällt hier wohl niemandem ein?“, fragte er und ließ dem Sarkasmus in seiner Stimme freien Lauf, als der Fahrer endlich die Tür aufstieß, seine Pistole zog und ausstieg. „Was ist hier überhaupt los? Warum geht es nicht weiter?“
    „Das weiß ich nicht. Was wollen Sie?“
    „Ich bin Polizeihauptkommissar Werner Mertel und ermittle im Fall dieser Zombie-Seuche. Ich habe eine wichtige Spur, die zur Burg führt.“
    „Sie ermitteln also...“, stellte der Iltis-Fahrer fest und klang bei weitem nicht so ironisch wie der Inhalt seiner Worte.
    Mertel verlor die Lust, sich diesem Befehlsempfänger zu erklären und verlangte: „Ich will Ihren Anführer sprechen.“
    Der Iltis-Fahrer nickte, lud Mertel mit einer Handbewegung ein, vorauszugehen, und dirigierte ihn mit der Pistole an der Truppe vorbei den Weg entlang nach oben.
     
    Er war leicht wie eine Feder.
    War er natürlich nicht, aber dem Gnom kam es so vor, als er mithalf, ihn anzuheben, denn er hatte eine erhebliche Last erwartet. Das Gesamtpaket aus Stockfessel, Pflock und Neuminingen wog vielleicht 70 Kilo, und für die fünf Auserwählten, die mit anpackten, war das gar nichts.
    Er war ein Auserwählter!
    Niemand hatte auf ihn gezeigt, ihn so genannt oder ernannt. Er und die vier anderen waren vorgetreten, als der Blick auf ihn freilag und alles Licht sich auf ihn richtete, hatten Aufstellung genommen, je zwei neben und einer hinter ihm, und eine Art Totenwache abgehalten, die in geistiger Hinsicht einem Erweckungsritual gleichkam.
    So grell, wie er angeleuchtet wurde, hatte der Gnom erst mal gar nichts erkannt, aber er hatte beim Reinkommen aufgeschnappt, wer die anderen Auserwählten waren: Der OB, die Bomhan, der Typ in Motorradkluft, der auf seinen gebrochenen Beinen wankte wie auf Eiern – und sein ekelhafter Scheiß-Onkel.
    Warum gerade sie fünf? Vielleicht war es ja nur zufällig, weil sie ganz vorne standen. Etwas Großes geschah hier. Niemand wusste, was es war, aber die Ehrfurcht war den toten Gesichtern anzusehen, als sie denjenigen in ihre Mitte tragen ließen, der mit ihrer Urzeugung in Zusammenhang stand. Niemand kannte ihn, niemand wusste etwas über ihn. Er hockte starr wie Holz in seiner Folterstellung und wirkte eher wie eine Statue als die Hülle ehemaligen Lebens, die er doch war.
    Beim Anheben und jetzt beim Tragen gingen sie so zuwerke, als drohe beim kleinsten Ruck der totale Zerfall. Und doch strahlte etwas von dem starren, fragilen, ausgedörrten Ding aus, das alle hier zusammengeführt hatte und sie ihre sonst so überdominante Fressgier hatte vergessen lassen.
    Durch enge, verwinkelte Gänge und über schmale Treppen erreichten sie erstes Tageslicht. Die modernen Rathausflure im Erdgeschoss ließen die Prozession erscheinen wie von der Steinzeit in die Gegenwart versetzt. Außer schlappenden Schritten der Hunderten von leichenstarren Füßen war nichts zu hören. Hier, da nun mehr Platz war, drängte trotzdem niemand von hinten nach vorn oder

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