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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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ersten Leitersprosse. Dreck und Schweiß fühlten sich auf ihren Handflächen an wie Sirup. Der Gedanke an die Höhe pritzelte in ihrem ganzen Körper wie tausend Nadeln. Sie zog das Bein zurück und verharrte auf allen Vieren.
    Etwas fiel ihr auf. Der Kerker unter ihr war kaum breiter als das Angstloch selbst, durch das einst die Gefangen in den sicheren Tod hinab gelassen wurden. Vom Rand des Turmeinstiegs bis zum Loch hatte sie aber gut fünf Meter zu kriechen. War der Mauerunterbau derart dick?
    Um das herauszufinden, hätte sie noch genug Zeit. Bis das Militär hier war und sich Zugang verschaffte, konnte es zehn Minuten dauern, wohl eher länger. Die Leiter runter, in den Schuppen, wo ein Seil hing, und die Leiter wieder hoch, das wäre in zwei Minuten zu schaffen. Wäre da nur nicht die Scheiß-Höhenangst.
    Sie konnte die Zeit auch nutzen, um durch einen hinteren Ausschlupf zu verschwinden. Warum tauchte Wicca nicht auf? Die Süchtigen, ihre Alarmwächter, mussten sie längst gefunden und in Kenntnis gesetzt haben. Was war da bloß los?
    Amelie versuchte es zum zweiten Mal.
    Los jetzt! Rückwärts zur Leiter kriechen, nach der ersten Sprosse fischen...
    Es ging nicht.
    Es musste gehen!
    Bitte nicht. Warum nur hatte sie sich das angetan? Höhe war für sie wie Gefangenschaft ohne Kette oder Gitter, aber Angst, Angst, Angst.
     
    Die Prozession war der Bundesstraße im Gänsemarsch gefolgt und erreichte eine steile Kurve über einem Felsabhang. Es gab keine Bremsstreifen, aber immerhin eine sichtbare Spur, eine geköpfte Fichte mit auf halber Höhe gesplittertem Stumpf.
    Nötig war die Spur nicht. Das Signal war so stark, dass es verwirrte und für Unruhe sorgte. Nur die fünf Träger blieben außerhalb des Einflusses, denn das Signal schräg über ihnen überdeckte alles. Es gab den Befehl zum Stehenbleiben und Absetzen.
    Die Rotte aus inzwischen Tausenden von Leichen, die sich von hier über die gesamte Straße bis zur Stadtgrenze staute, geriet ins Stocken, die Formation brach auf und zerbröckelte, das Murren und Knurren wurde lauter und böser.
    Das Signal befahl Helfert und den Gnom zur Sondierung der Lage in den Graben. Beide hatten keine Ahnung, was das sollte. Sie mussten an sich halten, auf dem Weg nach unten, um nicht aufeinander los zu gehen. Sie hatten zwar keine Waffen. Aber so viel Hass.
    Als sie unten waren, verflog der Hass aufeinander, sie hatten statt dessen ein Ziel. Was sie zunächst sahen außer dem verbeulten und verknäuelten Auto, das mal ein VW-Transporter gewesen war, war eine bräunliche, wie verbrannt wirkende Hand, die aus einem der gesplitterten Fenster ragte. Und da wussten sie es auch schon. Dieses Mistweib! Es murmelte Verwünschungen und sendete Flüche. Nun wäre es ihnen ausgeliefert, es oder sie.
    Wäre da nicht der andere Sender. Und der war stärker als alles andere. Stärker als der Hass, der in alle Richtungen strahlte. Sogar stärker als Wiccas explosive Wut.
    Sie steckte fest. Es war eine herrliche Ironie, dass sie nun selbst sich in diese Lage gebracht hatte. Derart eingeklemmt war sie im verknäuelten Blech, das Lenkrad in die Brust gerammt, dass sie da hocken würde, bis alles um sie herum weggerostet sein würde, in hundert Jahren vielleicht.
    Neuminingen aber wollte es anders. Er befahl, sie frei zu biegen, ihren ledernen Körper aus dem verklumpten Metall zu zerren und wieder auf alles loszulassen, was zwei Beine hatte – sofern sie einen Schwur ablegte. Daran konnte es noch scheitern.
    Helfert und der Gnom hörten die beiden machtvollen Sender sich in Gedankenbotschaften verstricken. Wicca wollte nicht, aber sie musste, wenn sie nicht feststecken bleiben wollte. Man konnte ihr nicht trauen, aber Neuminingen tat es, offenbar, denn als sie geschworen hatte, die Prozession zur Burg zu begleiten zu einem ganz bestimmten Zweck, da befahl das Ding aus dem Kerker, sie loszumachen.
    „Was ist mit der anderen?“, quälte sich Helfert einen Frage heraus, die gesendet ankam, aber gesprochen klang wie „A-as i mm annre?“
    „Mitbringen!“, lautete der Befehl, und sofort packte Helfert die ebenfalls verkeilte, aber leichter zu befreiende Frieda im Genick, zerrte sie aus dem Wrack und warf sie auf den Boden. Alles, was laufen konnte, wurde gebraucht, um die Burg zu überrennen.
    Helfert versuchte nun zusammen mit seinem Neffen, die Rückenlehne des Fahrersitzes so zu verstellen, dass etwas Abstand zum Lenkrad entstünde und auch Wicca freikäme. Aber es war nichts zu

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