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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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einen Blick zuließ in den Burghof, aber ihr zugleich Schutz vor Entdeckung bot. Es war längst klar, dass die da unten angetreten waren, offenbar vollzählig, denn im Gebäude war es völlig still.
    Der da sprach, musste auf dem Torturm stehen. Von Amelies Standort im hinteren Bereich der Kernburg aus waren uniformierte Rückseiten und Hinterköpfe zu sehen, die geschlossen in Richtung Ausfahrt starrten. Amelie schnappte das Wort Fahnenflucht auf und den Satzfetzen „Ende der militärischen Disziplin“. Geduckt unter der Brüstung des Wehrgangs pirschte sie sich an den Redner heran. Als sie nah genug war, jedes Wort zu verstehen, verharrte sie. Hier war sie seitlich über den Zuhörern und konnte entdeckt werden, wenn sie einen Blick riskierte. Also hockte sie sich hin, lehnte sich mit dem Rücken an die Brüstung und lauschte.
    „...und daher erkläre ich unsere Einheit offiziell für aufgelöst. Es steht jedem von Ihnen frei, sich seinen Anteil an Vorräten und Bewaffnung zu erbitten und sein Glück allein da draußen zu versuchen. Ich allerdings bin überzeugt, dass man in Gruppenstärken unterhalb der unseren keine Überlebenschance hat. Um es ganz deutlich zu sagen: Alle Ihre Kameraden, die in den letzten Tagen desertiert sind, gelten für mich als gefallen.“
    Der Redner machte ein gewichtige Pause. Amelie konnte nicht sehen, was er machte, aber es kam eine erste Welle von Unruhe in die Angetretenen. Sie wunderte sich, dass angesichts des Inhalts dieser Rede überhaupt nur getuschelt und nicht dazwischen gebrüllt oder lautstark diskutiert wurde.
    „Nein, jetzt bitte noch keine Fragen“, meldete sich der Redner wieder zu Wort und reagierte damit offenbar auf ein Handzeichen. Das Geraune verstummte wieder.
    „Bevor Sie sich nun entscheiden, zu gehen oder zu bleiben, möchte ich Ihnen mitteilen, was Sie erwartet, wenn Sie bleiben. Was Sie erwartet, wenn Sie nicht bleiben, das können Sie sich leicht selbst anschauen, wenn Sie von einem der Türme oder einem erhöhten Fenster der Wohngebäude auf die Stadt hinunter schauen. Dort werden gerade die letzten menschlichen Bewohner abgeschlachtet, und alles deutet darauf hin, dass die stündlich größer werdende Gruppe von Überträgern sich langsam aber stetig in Richtung unseres Standortes bewegt. Wenn Sie aber bleiben, wenn wir gemeinsam um unser Überleben kämpfen, dann biete ich Ihnen ab sofort zwei wesentliche Veränderungen an: Volle Mitbestimmung bei regelmäßigen demokratischen Versammlungen – und Spezialisierung nach Talent und Neigung. Wer ist dafür, dass wir in dieser Weise fortfahren?“
    Amelie hörte ein Geräusch, das klang, als würden viele Menschen zugleich etwas Leises, Gleichgeartetes tun, und interpretierte das Gehörte richtig, noch bevor die Bestätigung kam:
    „Also einstimmig, ich danke Ihnen. Moment. Eine Gegenstimme. Danke, Herr Leutnant, das wird vermerkt. Damit gleich zum nächsten Hauptpunkt. Ich biete Ihnen an, dass ich bis auf Weiteres die Leitung unseres Unternehmens behalte, und zwar ab sofort von Ihnen allen legitimiert, sofern Sie mir Ihre Stimme geben. Falls ich gewählt werde, schlage ich folgende beiden Personen als meine Stellvertreter und Mitentscheider vor: Polizeihauptkommissar Werner Mertel, den Sie hier neben mir stehen sehen. Dass er für kurze Zeit unser Gefangener war, spielt keine Rolle, das war ein Irrtum. Als zweiten Stellvertreter schlage ich den bisherigen Stabsfeldwebel Wachsenberg vor. Einen dritten und vierten Mitentscheider würde ich, falls ich gewählt werde, aus Ihren Reihen berufen. Wer ist dafür, dass ich zur Wahl antrete?“
    Noch während er gesprochen hatte, war das Raunen aus den Reihen der Angetretenen immer lauter geworden. Jetzt meldete sich eine Stimme zu Wort, die offenbar aus dem Publikum kam:
    „Was wäre dann mit dem Leutnant und dem Unteroffizier?“
    „Gar nichts. Es gibt keine Dienstgrade mehr. Alle sind gleichgestellt. Jedem steht es frei, sich neben mir zur Wahl des Vorsitzenden zu stellen. Nenne wir es doch einfach so. Vorschläge aus Ihren Reihen?“
    „Ich stelle mich zur Wahl“, hörte Amelie eine harte, sehr wütend klingende Stimme aus Richtung Torturm.
    „Leutnant Kuckel, selbstverständlich. Weitere Vorschläge?“
    Das Raunen wurde lauter. Amelie hielt es nicht mehr aus. Jetzt oder nie. Wenn sie entdeckt wurde, dann sollte es eben so sein. Während unter ihr die Versammlung außer Kontrolle zu geraten schien, drehte sie sich von der Hockenden auf die Knie,

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