Toten-Welt (German Edition)
wurde...“
„Was?“
„Ich habe keine Schreie gehört.“
Mertel wollte antworten, dass dafür die Mauern viel zu dick waren, der Gang zu tief lag und das Wasser wohl allen Schall schluckte. Das mochte tatsächlich sein. Aber ihm selbst war aufgefallen, zweitens: Leistner war schweigend gestorben. Als ihn das Ding erdolchte und seinen Bauch fast sprengte, hatte er nicht den geringsten Laut von sich gegeben.
Und nicht nur das.
Sein Gesicht war förmlich aufgeblüht im Moment des mutmaßliche Todes und hatte einen Ausdruck tiefster Glückseligkeit und höchster Verzückung angenommen. Mertel hatte Gesichter mit ähnlichem Glanz auf religiösen Gemälden gesehen. Leistner war brutal aufgespießt worden, aber er hatte gelächelt als schaue er ins Paradies.
Panzerkommandant Hitzab steuerte das klobige Kettengefährt durch die engen Serpentinen bergab in Richtung Stadtteil Alte Wüstung. Eigentlich war das nicht sein Job, der Panzer war zur Hälfte unterbesetzt, denn der zweite Schütze war tot, und der reguläre Fahrer namens Roland Heck lag im Lazarett.
Der Biss, den Heck abbekommen hatte, war kaum der Rede wert, aber die Wunde hatte sich entzündet und zu Fieberanfällen geführt, die freilich auch simuliert gewesen sein konnten. Vermutlich hockte das Bürschchen quietschfidel auf seinem Feldbett und halluzinierte auf Kommando, wenn der Feldarzt gerade vorbeischaute.
Was Hitzab nicht ahnte, war, dass der Fahrer längst zum Zombie mutiert war, zwei weitere Soldaten der Burgbesatzung auf dem Gewissen hatte und gerade in diesem Augenblick kurz davor war, Geschichte zu schreiben.
„Liegt eine Tankstelle auf dem Weg?“, fragte Panzerschütze Brehm mit Blick auf die Spritanzeige.
„Besser, wir machen den Umweg über die Kaserne.“
„Nicht gerade ein kleiner Umweg. Wo zum Teufel sind die ganzen Zombies? Raufwärts hat’s nur so gewimmelt, und jetzt...“
„Sie wissen doch, wo es jetzt wimmelt.“
„Die könnten doch nicht alle oben an der Burg sein. Oder?“
„Was weiß ich.“
„Ich meine, absolut alle aus Stadt und Landkreis? Das müssten Zehntausende sein.“
„Waren es doch auch. Der Panzer war unter mehreren Schichten von denen begraben.“
„Und was ist mit anderen Städten? Da war es doch genauso wie hier. Haben die sich jetzt auch auf einen Punkt konzentriert?“
„Ich bin auch nicht schlauer als Sie.“
„Eigentlich ja gut für uns. Hier unten könnten wir uns wieder frei bewegen, wenn wir wollten.“
„Sieht so aus.“
„Das ist ein verdammter Jammer. Mir hat die Welt so gefallen, wie sie vorher war.“
Der Panzer erreichte die Kreuzung auf der Mulde des Sattelberges. Vor ihnen lag der Stadtteil Alte Wüstung und sah, was die Häuser betraf, noch weitgehend so aus, wie sie ihn kannten.
Die Straßen freilich hatten sich nicht wenig verändert. Hier unten lag schon mal alles voller Torsos und abgehauener Köpfe. Direkt vor ihnen wälzte sich eine Art lebendes Skelett auf dem Asphalt, eine Leiche, die sie so stark abgefressen hatten, dass sie zwar wiedererwacht war, aber nicht mehr auf die Füße kam.
Autos standen quer. Zehn Meter weiter war ein Sattelzug in ein Bushäuschen gebrettert. Der Anhänger war umgekippt und die Ladung über Gehsteig und Straße verbreitet. Es sah aus wie Dung.
Durch das Chaos streifte ein Hund, schnüffelte an einer der Leichen, trabte weiter und pinkelte gegen einen Laternenmast. Brehm verrenkte den Kopf, um durch den schmalen Sehschlitz irgendwie nach oben zu schauen.
„Was ist los?“
„Ich will nur sehen, ob es noch Vögel gibt.“
„Warum sollte es die nicht geben? Vielleicht vermehren die sich jetzt sogar wie verrückt.“
„Wieso, Singvögel wurden doch bei uns nicht bejagt.“
Hitzab ließ das Lenkrad los, zerrte Brehm vom Sehschlitz weg und bugsierte ihn auf seinen Sitz.
„Wir sind hier nicht auf einem Sonntagsausflug. Rechts oder links?“
Als Brehm ihn nur dümmlich von der Seite anschaute, präzisierte er:
„Erst zum Tanken in die Kaserne oder gleich in die Stadt?“
„Das fragen Sie mich?“
„Sie sind von hier, ich nicht. Gibt es auf dem Weg zum Steinbruch eine Tankstelle? Müssen wir überhaupt durch die Innenstadt, oder gibt es einen Schleichweg außen rum?“
„Das ja. Und eine Tankstelle gibt es auch, aber erst in der Nähe des Steinbruchs. Das sind etwa zehn Kilometer.“
„Zur Kaserne sind es nur drei Kilometer.“
„Die Frage ist, ob tanken überhaupt noch geht ohne Strom.“
„Gutes Argument. In
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