Toten-Welt (German Edition)
der Kaserne geht es auf jeden Fall, weil wir da den Notstrom anwerfen können. Damit hat sich die Frage...“
Er unterbrach sich, als ein Zittern durch den Panzer ging und der Motor verstummte.
Ex-Panzerfahrer Roland Heck, der vermeintliche Drückeberger, jetzt nicht mehr als ein zerbissener und beschissener Untoter, war kurz davor, Zombie-Geschichte zu schreiben.
Denn er torkelte seinem ehemaligen Kameraden Helge Steghalter entgegen. Auch der hatte Geschichte geschrieben, ebenfalls unfreiwillig, als er sich Wiccas Mittel direkt in die Venen gejagt hatte statt es sich in die Augen zu träufeln, auf die Haut zu reiben oder zu schlucken.
Die Verwandlung in das, was er jetzt war, er hatte sie bei vollem Bewusstsein miterlebt. Erst war sie beglückend gewesen, dann zunehmend unangenehm, schließlich schmerzhaft, schlimmer als schmerzhaft und dann immer schlimmer und schlimmer.
Aus einer blutigen Schleimpfütze hatte er sich irgendwann erhoben als Mutant einer uralten Rasse, aber immer noch er selbst, tief drin wie ein Mensch denkend, nur beherrscht von neuen, unbekannten Trieben.
Mit neuen, unbekannten Organen war er auf die Jagd gegangen. Die gigantischen Mäuler mit ihren messerscharfen Reißzähnen waren rudimentär, denn der Haupttrieb war nicht Fressen, sondern Vermehrung. Menschen waren die biologisch vorgegebenen Wirte, aber die gingen auf der Burg langsam aus. Zudem wurde er immer größer. Inzwischen kam er nur noch kriechend durch die Gänge und suchte verzweifelt nach einem Ausgang.
Sein in die Länge geschossener, wie aufgequollener Körper war dem Zombie Roland Heck schlicht im Weg, als der, ebenfalls auf Menschenjagd, durch einen der Nebengänge der Burg torkelte. Die Option des Umkehrens gab es in seinem verwesenden Hirn nicht mehr. Und überhaupt hielt er sich für unbesiegbar. Der Monsterkörper vor ihm ließ Lücken, durch die würde er seinen Weg finden.
Aber dann passierte verschiedenes. Zuerst erkannten sie sich – als ehemalige Kameraden Heck und Steghalter, aber auch als Schlüssel und Schloss, als die noch perfektere Symbiose. Heck würde seine Seele zurückgewinnen. Sein Verstand war ja noch da, aber fand in den zerfallenden Gehirngeweben keinen Resonanzkörper mehr und sah sich sozusagen selbst beim Dummwerden zu.
Das ließ sich ändern! Und so warf er sich dem Monster regelrecht entgegen, als das schon seinen Saug- und Stechrüssel ausfuhr und ihm in den Bauch schleuderte.
„Warum hast du das getan?“
Hermann Klangfärbers Stimme hörte sich tonlos an und stumpf. Vielleicht lag es an Amelies Standort in der engen, tiefen Röhre von Verlies, aber das war nicht das energische Organ, das sie kannte. Es klang alt und matt und unendlich lebensmüde. Er tat ihr leid.
Wicca dagegen, die war wie immer. Ihre Stimme kannte weder Trauer noch Zorn, nur freundliche Hinterlist. Das Bild einer lächelnden Schlange vor dem Zustoßen tauchte vor Amelies geistigem Auge auf, als Wicca melodisch und süß antwortete:
„Warum habe ich das getan? Ich weiß nicht. Vielleicht aus Rache für 500 Jahre Dunkelhaft.“
„Aber du sitzt doch jetzt mit uns genauso wieder hier fest. Und Amelie kann überhaupt nichts dafür.“
„Amelie will ich ja auch retten. Fang auf, mein Schätzchen!“
Sie hörte einen erstaunten und erleichterten Laut von Hermann, sah Wiccas altes Ledergesicht am Rand des Angstloches auftauchen und ihr etwas entgegenwerfen. Amelie fing nicht auf, sondern wich aus. Es war ein Seil.
„Ist es überhaupt recht, wenn wir zum Du übergehen, Schätzchen? Ich denke, du weißt inzwischen alles über uns drei. Und so wie wir jetzt stehen, sollten wir Vertrautheit aufkommen lassen.“
Amelie griff nach dem Seil, statt zu antworten, und wollte hochklettern, aber fand keinen Halt.
„Moment, Moment, erst müssen wir hier oben irgendwo einen Knoten machen.“
Amelie wartete, prüfte alle paar Sekunden mit einem Ruckeln und begann zu klettern, ohne ein Okay bekommen zu haben, als sie Festigkeit spürte.
„Und jetzt?“, fragte Hermann, als Amelie den Rand erreichte, Wicca ihr half und sofort von ihr abgeschüttelt wurde, als Amelie festen Boden unter den Füßen hatte.
Ihr fiel etwas auf. Ihr gebrochener Fuß war verheilt. Keine Schmerzen, fester Tritt. Als hätte sie diesen Beweis für das, was sie war oder nicht mehr war, noch gebraucht!
„Wir müssen dringend hier raus“, verlangte Hermann, und Amelie versuchte, ihn mit anderen Augen zu sehen. Bei ihrer letzten Begegnung
Weitere Kostenlose Bücher