Toten-Welt (German Edition)
anzugreifen, hörte auf zu wirken. Mit Wucht schleuderte er den überraschend leichten Körper gegen die nächste Wand, nagelte sie mit vollem Druck der Unterarmkante gegen die Gurgel fest und beugte den Kopf über ihre Schulter.
Blitzschnell schnappte er zu und biss sich fest. Er kaute auf dem T-Shirt herum, kaute es durch, schlug seine Zähne in die Haut und riss und knurrte vor Gier.
Er begriff, dass sie sich überhaupt nicht wehrte.
Er hörte sie leise kichern.
Er schmeckte eine derart eklige Substanz auf ihrer zähen, verbrannten, wie mumifizierten alten Haut, dass er sich vorkam wie tödlich vergiftet. Erst jetzt merkte er, dass sein brutaler, sonst so tödlicher Biss festsaß wie ein stumpfer Schraubstock in altem Leder. Das Dreckstück war nicht durchzubeißen. Sie kaute sich wie ein Gummilappen.
Er spuckte aus, katapultierte sich von ihr weg und schnappte nach Luft.
Aber es war passiert. Irgendwas hatte er durch sein mahlendes Kauen aus ihr herausgesogen und in sich aufgenommen. Er war nicht zum Fleisch durchgedrungen und bezweifelte, dass sie überhaupt welches hatte oder Blut oder irgendwas, das von einem natürlichen Stoffwechsel betrieben wurde, aber er hatte ihren giftigen Saft aus ihren Poren herausgepresst, mit Zunge und Gaumen absorbiert und in den Magen sickern lassen.
Erst verbrannte es ihn innerlich. Dann beendete es von einer Sekunde zur anderen alles, was ihre Augentropfen an ihm bewirkt hatten. Der Krebs platzte auf wie ein verschorftes Geschwür und tobte mit Urgewalt durch seinen Körper. Die verkapselten Tumorzellen begannen sich zu teilen, sie wucherten und wuchsen, und er spürte jeden noch so kleinen Druck, mit dem sie seine eigenen Zellen beiseite schoben, mit rasendem Schmerz.
„Machen ah das weg! Mich wieder heil! Will nicht sterben!“
„Aber das werden Sie nicht, mein Bester. Es wird sich nur so anfühlen. Für immer.“
Sanft lächelnd rückte sie die Haarlast ihrer Perücke zurecht und wollte ihm den Weg zur Tür weisen.
Da riss er den schweren Holzstuhl hoch und zertrümmerte ihn auf ihrem Rücken. Es kam ihm so vor als hätte sie den Angriff kommen sehen, als hätte sie ausweichen können, aber ihm zum Hohn ihn machen lassen. Er zog die erstbeste Schreibtischschublade auf und fand einen Kristall-Briefbeschwerer in Form einer Weltkugel.
„Ah!“
Außer sich vor Mordlust hieb er mit dem schweren, steinharten Ball auf ihren Kopf ein. Der Schädel unter dem Haarwust schien nachzugeben, aber es knirschte nicht, es brach nichts. Es war wie auf ein Ledersitzkissen einzuprügeln. Noch ein Hieb und noch einer. Sie hielt sich aufrecht und grinste ihn an.
Die Schublade stand noch offen und barg außerdem eine Schere. Er griff zu, stieß Wicca zu Boden, ließ sich auf die Knie fallen und stach auf sie ein. Ihr Körper gab den Stichen nach, aber es fühlte sich nicht so an, als könne er mit der Klinge in die Haut eindringen. Er versuchte es am Bauch, hielt die Spitze senkrecht und legte sich mit der vollen Last seines Körpers auf den Stich.
Nichts.
Die zähe Lederhaut umschloss die Spitze, ließ ihr Raum nach innen, aber blieb unverletzt.
„Warten Sie“, sagte Wicca freundlich. „Ich habe was, das sicher besonders gut kommt: eine Pistole. Schießen Sie mal auf mich.“
Sie hatte, flach am Boden liegend, den Kopf angehoben, während er noch die Klinge in ihren Bauch gerammt hielt. Die Perücke war ihr wieder vom Kopf gerutscht. Sie glotzte ihn mit ihren toten Augen an, grinste mit ihren dürren Lippen und gelben Totenkopfzähnen, präsentierte sich als die uralte Leiche, die sie war und weckte damit eine derartige Urangst in ihm, dass er einen letzten Angriff startete, halbherzig und sinnlos. Er stürzte sich auf ihren Hals, drückte zu, wollte ihr die Gurgel zerquetschen und ihr am liebsten den Kopf abreißen.
Als ihn seine Kräfte verließen, wälzte er sich von ihr herunter und lag für einen Moment neben ihr auf dem Boden.
Kaum war die Wut abgeklungen, drangen die Schmerzen zurück in sein Bewusstsein. Er brüllte auf, zappelte sich in die Sitzende und sah, dass Wicca längst ihre menschenähnliche Erscheinungsform zurückgewonnen und die abstoßend hässlich verbrannte Glatze mit ihrer Riesenperücke bedeckt hatte. Sie stand aufrecht, starrte auf ihn herab, hielt ihm die Tür auf und befahl:
„Kommen Sie nie mehr hierher. Mich kann man nicht zerstören. Aber Ihnen kann ich jederzeit noch mehr und noch mehr und noch mehr Schmerzen obendrauf
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