Toten-Welt (German Edition)
aber hatte seine schützende Hand die Einleitung einer Inquisition verhindert. Das würde bald vorbei sein.
Nun hatte Bernkaller die Berkel im Dorf zwar nirgends gesehen noch war sie an den Angriffen in irgendeiner versteckten Weise beteiligt gewesen, aber seit wann musste dieses Gesindel aus der Hölle offen auftreten, um sein Werk zu verrichten? Sie musste es gewesen sein, die ihm und seinen Männern diese Monstren auf den Hals gehetzt hatte, um sie zu zerfleischen.
Bernkaller fühlte sich fiebrig, als er sein Pferd bestieg, aber sein Entschluss sorgte für Auftrieb. Sein erster Weg würde zum Stadtpfarrer führen.
„Warum tut ihr das?“
Sie schauten sie nicht mal an. Wie Wölfe fraßen sie sich in die Kadaver ihrer Opfer.
„Habe ich euch nicht zu essen angeboten? Auch Fleisch.“
Die Feststellung war lächerlich angesichts des Blutbades. Maria fragte sich, warum sie sich das ansah. Und warum ihr nicht schlecht wurde.
Was konnte sie tun? Hilfe holen? Hilfe wobei? Was hätte irgend jemand hier tun können? Der alten Frau steckte, während sie mit dem Mönch um den einen Kadaver rangelte, ein Armbrust-Pfeil quer im Hals. Und dem Köhler, der den anderen Leichnam ganz für sich beanspruchte, war das Schwert des Kämpfers so tief in den Leib gefahren, dass die Spitze am Rücken hervortrat.
Hermann holen?
Er musste sehen, was hier passierte. Und er musste vor allem sofort aufhören, seine Mittel zu verabreichen!
Wieder wandte sie sich ab, ging ein paar Schritte, wollte wegrennen, blieb stehen und kehrte zu dem Fressgelage zurück.
„Werdet ihr denn gar nicht satt?“
Ein kehliges Grunzen erklang wie eine Antwort, aber sie wusste, es galt nicht ihr.
Überrascht allerdings war sie, als sich herausstellte, dass nicht der Köhler gegrunzt hatte. Der Wachmann schlug die Augen auf und begann zu zucken, derweil sein Mörder abermals zubeißen wollte. Die Abwehrbewegungen des Erwachten sorgten indirekt für Erfolg. Der Köhler starrte sein sich regendes Opfer an, hielt inne, ließ ganz ab, drückte sich mit den Armen hoch und kam auf die Beine. Wankend stand er über dem Zerfleischten, verlor schnell das Interesse und stapfte davon.
Da nun auch der andere Burgmann zu neuem Leben erwachte, taten der Mönch und die alte Frau es ihm nach, folgten ihm ein Stück und zerstreuten sich auf die wenigen intakten Gebäude des Dorfes. Plötzlich allein mit den frisch getöteten, soeben zu untotem neuem Leben erwachten Eindringlingen, bekam Maria Angst. Diese Angst wunderte sie selbst, denn was immer sie nun waren, bestialischer als ihre drei Mörder würden sie unmöglich sein können.
Unter Stöhnen und Keuchen kamen die beiden Kämpfer auf die Beine, sahen sich träge um und wirkten ungläubig erstaunt. Dem einen plumpsten beim Stehen die Organe aus dem aufgerissenen Bauch wie ein ausgeschütteter Sack voll Schlangen. Er schleifte sie hinter sich her, als er, nach kurzem, desinteressiertem Wittern in Richtung Maria, den anderen Toten in den Schatten folgte und in einer halb eingestürzten Hütte verschwand. Am Boden blieben in dem Matsch aus Blut und Eingeweiden die Schwerter liegen, mit denen sie sich vergeblich verteidigt hatten. Die Pferde hatten sich beruhigt.
Maria aber wurde immer unruhiger. Bisher hatte sie am Geschehen als Zuschauerin teilgenommen und sich dabei gefühlt wie in einem Alptraum. Nun musste irgendwas passieren. Aber was? Konnte sie davongehen, einfach so, und alles hinter sich lassen? Liebte sie Hermann so sehr, dass sie in seiner Nähe zu bleiben hatte? Trug sie so viel Schuld wie er? Trug sie überhaupt Schuld? Und wenn nicht: Als Fremde in einem fremden Land, einer fremden Stadt, allein, es wäre unmöglich, neu anzufangen. Es gab keine Entkommen. Es gab nur ein Hindurch so folgenlos wie nur möglich.
Sie sah an sich hinab und überprüfte ihr Gewand auf Blutspritzer. Da sie keine Flecken abbekommen hatte, sprach nichts dagegen, ihren Weg in die Stadt fortzusetzen. Der Nachrichter, den Hermann sie aufzusuchen geheißen hatte, konnte mit seinem Wissen helfen. Nichts von dem, was hier geschehen war, würde sie ihm erklären können noch würde sie es wagen, es auch nur zu versuchen. Aber sie konnte ihn damit konfrontieren, ohne sich selbst ins Verderben zu führen. Maria hatte eine Idee.
Lorenz Bernkaller verging, je näher er der Stadt kam, desto mehr sein Ansinnen, sich dem Stadtpfarrer anzuvertrauen. Mochte dessen Hass auf Hexen noch so groß sein, er würde Beweise verlangen. Er
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