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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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der verpfropften Tonflaschen, die er wohl kannte.
    „Was soll ich damit?“
    „Gib sie dem armen Sünder zu trinken. Das ist die Bitte. Und wenn es sein muss, gebe ich gar drei Gulden dafür her.“
    „Warum bloß?“
    Er sah sie an, wurde mild und rückte zur Seite.
    „Komm zu mir, hier auf die Schwelle. Und jetzt sag: Hat es je geholfen? Und was sollte es einem bald schon Enthaupteten helfen?“
    „Ums Helfen geht es dabei nicht.“
    „Was dann?“
    „Ich will mir, wenn wir das wissen, dein Schwert ausborgen oder dafür zahlen.“
    „Du musst nicht zahlen, Kind.“
    Er strich sich durch den Bart und schüttelte wieder den Kopf, wie es seine Art war.
    „Die zwei Gulden nehme ich auch nur, weil ich muss. Aber was um des Himmels Willen magst du mit meinem Schwerte ausrichten?“
    „Nichts, was es nicht schon getan hat. Ich bin nicht verrückt geworden. Ich bitte dich nur, aber du musst’s nicht tun.“
    „Ich will’s tun, weil’s dir wichtig scheint. Wirst du dabei sein?“
    Sie zuckte die Schultern.
    „Was hat der Mann getan?“
    „Mehr als das Schwert ihm vergelten kann. Mir ein Rätsel, warum sie ihn nicht mit glühenden Zangen reißen und zu vier Teilen hauen lassen.“
    „Hat er sich an Kindlein vergangen?“
    „Das hat er wohl. Und die Mütter dafür aufgeschlitzt. Es ist eine grauenhafte Welt des Aberglaubens. Aber wer würde einem Nachrichter nacheifern als dem, der das Menschlichere anstrebt.“
    Maria nickte nur und wollte aufstehen. Kaum auf den Füßen, ließ sie sich wieder zurücksinken.
    „Eine Frage noch. Wenn nicht Kräuter oder Blut oder Zutaten der Alchemie, was könnte noch in einem Trank sein, das unerwartet Wirkung hervorbringt, gar mehr als man es erhofft?“
    „Da du nicht alles sagen willst, bleibt mir nur zu raten. Er sucht nach neuen Grundessenzen. Aber mehr als das, was man schon kennt, gibt es eben nicht. Und das Beten soll er lieber sein lassen. Die Natur heilt schon, wenn man sie lässt.“
    „So will ich’s ausrichten. Habt eine sichere Hand morgen.“
    „Der hat eine sichere Hand nicht verdient. Aber ich werd sie wohl haben.“
     
    Als Lorenz Bernkaller wieder auf die Füße kam, war sein Hunger nicht geschwunden, wohl aber seine Schmerzen waren es. Weg, alles – auch sein sonstiges Übel, das er im Herzen getragen hatte, seine zur Menschenfeindlichkeit verhärtete Trauer über sein vor Jahren im Kindbett verstorbenes Weib, seine sich oft genug bis zur Tobsucht steigernde Ungeduld über die Dummheit seiner Burgmannen und sein grenzenloser Hass auf Hexen, weil eine Heilerin aus dem Wald es gewesen war, nach deren Behandlung seine Frau den Geist aufgegeben hatte.
    Hunger war alles, was ihn nun noch trieb, und er wusste, wo er ihn stillen konnte. Er hatte noch genug Restverstand, um sich nicht blindwütig dorthin zu begeben, wo es zu beißen gab, sondern an sein Pferd zu denken. Das stand da noch immer grasend am Wegesrand, und es war Bernkallers Glück, dass er gestürzt und gestorben war an einer Stelle, die vom Oberen Tor kaum einsehbar war.
    Aufsitzen konnte er nicht. Er wusste nicht wieso und dachte auch nicht darüber nach. Es kam ihm gar nicht in den Sinn. Er wusste nur, dass es besser war, das Pferd am Zügel zu nehmen und mit sich zu führen als ohne Pferd über die Zugbrücke zu torkeln. Er wusste, dass er torkelte, aber auch das war ihm egal. Sein abgestorbener und nur rudimentär wiedererwachter Gleichgewichtssinn reichte gerade so hin, ihn auf den Beinen zu halten und sich gelegentlich am Zügel wieder aufzurichten, wenn er zu fallen drohte. Das Pferd fand, da es sattgefressen und ausgeruht war, den Weg von allein.
    Freilich hatte das Tier eine Abneigung gegen ihn wie gegen einen Wolf oder Bären, und das war etwas, das er mehr empfand als alles andere. Da musste er aufpassen. Es nicht scheuen und abhauen lassen, bevor er durchs Tor war. Und noch was beachten, etwas von früher, es geisterte ihm durchs untote Hirn.
    Instinktiv würde er es schon richtig machten. Es ging darum, wer Wache schob am Stadttor. Die meisten kannte er. Zu manchen würde er was sagen müssen, um kein Misstrauen zu erregen. Er hoffte, das noch zustande zu bringen.
    Aber es lachte ihm das Glück. Von Ferne sah er, dass der alte Nachtwächter Dienst schob. Der haarlose Flohsack war mit seinem eitrigen Bein für den Stadtrundgang nicht mehr zu gebrauchen, also setzten sie ihn in den Vormittagsstunden, wenn es am ruhigsten war, vors Tor. Er mochte ihn nicht und umgekehrt, weil

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