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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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würde kleine Zaubereien vielleicht ungeprüft ihm glauben, aber doch keine Monster aus der Hölle, die Menschen auffraßen!
    Überhaupt wurde sein Denken immer fiebriger. Die Wunde an seiner Hand pochte und stieg ihm vom Arm in die Schulter. Heiß und immer heißer wurde seine rechte Seite. Die Stadtmauer, auf die er zuritt, kippte vor seinen Augen nach links und stand plötzlich senkrecht. Hilflos am Boden liegend, sah er sein Pferd allein weiter auf die Stadt zulaufen, dann abdrehen, am Rande eines Feldes stehen bleiben und Gras rupfen.
    Das letzte, was Bernkaller durch den Kopf ging, war der Gedanke ans Fressen. Er dachte dabei an den Stadtpfarrer. Und wie es wäre, ihm in den Hals zu beißen.
     
    Während der stellvertretende Burgkommandant im Graben des von der Burg kommenden Weges verendete, näherte sich Maria vom Waldweg her der Stadt und betrat sie durchs nächstgelegene, das Spital-Tor. Ihr schien es unwirklich, hier anzukommen und eingelassen zu werden als sei nichts geschehen. Wie lange würde die Kunde von den Ungeheuerlichkeiten, die sich in ihrem Dorf abgespielt hatten, wohl noch unbekannt bleiben?
    Und wenn doch nur die zwei Reiter allein zu ihr gesandt worden waren? Wenn niemand geflohen und nach Hilfe unterwegs war?
    Trotzdem, dann würde man irgendwann auch so nach den zweien suchen.
    Um vom Dorf abzulenken und von dem, was dort lauerte, hatte Maria die Pferde in Richtung Burg aus dem Dorf gejagt. Sie hoffte, dass sie allein den Weg zurück finden und dort den Eindruck erwecken würden, als hätten sie ihre Reiter irgendwo auf dem Weg, aber nicht im Dorf selbst verloren. Sie hoffte Zeit zu gewinnen.
    Der Nachrichter war nicht nur Henker, er war Heilkundiger und Giftmischer. Und er war ihr Vertrauter, denn beide galten sie als Ausgestoßene. Die Frage, wie sie den wild um sich beißenden Monstren in ihrem Dorf Arsenik einzuflößen gedachte, konnte sie sich auf dem Heimweg stellen. Erst mal musste sie ihren Freund dazu bringen, es ihr zu überlassen.
     
    Bruder Hermann kniete vor seinem Arbeitstisch und betete inbrünstig. Die Gebete bei der Morgenandacht hatten ihm keine Klarheit gebracht.
    Was war nur geschehen? Konnte es wirklich sein, dass seine Mixtur Tote wieder auferstehen ließ? Oder war vielleicht das Ende der Welt nahe, und die Gräber öffneten sich allerorten? Mit wem nur hätte er sich besprechen können? Da es niemanden gab, dem er sich anvertrauen und bei dem er Rat hätte einholen können, blieb ihm nur der Dialog mit Gott, der leider, wie bei allen Gebeten zu allen Zeiten seines Lebens zuvor, ein reiner Monolog war.
    Gäbe ihm Gott doch nur einen Fingerzeig! Das kleinste Zeichen würde ausreichen, um zur Tat zu schreiten und zu tun, was auch immer nötig wäre. Sollte er seine Versuche abbrechen und seine Geräte zerstören, alle Säfte und Pulver in einem tiefen Loch vergraben und vergessen? Die Toten in ihre Gräber zurückschicken? Aber wie nur?
    Seine Knie schmerzten, und sein Kopf dröhnte. Das Licht der fünfdochtigen Kerze bohrte sich ihm in den Kopf und ließ ihn schwindlig werden. Eine Art Rausch überkam ihn, wenn er zulange auf das flackernde Licht starrte. Manchmal vergaß er in diesem Rausch die Zeit und seine Gebetsschmerzen, er wähnte sich davonschweben, und das waren vielleicht die Momente, in denen Gott dann doch zu ihm sprach, in Träumen und Bildern. Dann erhielt er Antworten. Die besten Gedanken für seine Experimente hatte er aus der Zeitlosigkeit geholt und nicht aus der konzentrierten, bewussten Arbeit.
    Derweil er kniete und betete und sich den Rausch herbeistarren wollte, fiel seine Aufmerksamkeit auf die Kerze selbst. Unter dem jüngsten Wachsüberlauf hatte sich klar und deutlich sichtbar die Kruzifix-Form im Wachs des Kerzenkörpers herausgebildet. Und erkannte er nicht gar die leidenden Züge des Heilands im Lichte der zuckenden Schatten in der Kreuzesgestalt?
    Da hatte er nun sein Zeichen!
    Seine Experimentierkerze war von Gott berührt und gesegnet worden. Sein Tun stand im Einklang mit den Gesetzen des Allerhöchsten, und seine Vision ging noch weiter: Er selbst, Bruder Hermann, war Gottes Werkzeug, mit dem er über die Apokalypse das Jüngste Gericht einleitete.
    Nun machte alles einen Sinn. Die Auferstehung der Toten war nicht wider die Natur, und sie war kein Zufall, sondern Gott benutzte ihn als seinen auserwählten Jünger, um eine Mixtur zu brauen, dank der die biblische Prophezeiung wahr werden konnte.
    Alle Knie- und Rückenschmerzen waren

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