Toten-Welt (German Edition)
Fürstbischof fühlte sich schwindelig und fiebrig.
Wo sie nur wieder blieb!
Stöhnend erhob er sich von seinem Schmerzenslager und wollte nach dem Burgvogt brüllen. Heraus kam ein Krächzen. Als er die Beine auf den Boden setzen und belasten wollte, fuhr ihm ein stechender Schmerz in beide Kniegelenke zugleich.
Das konnte doch nicht der Hunger sein!
Weniger bis gar nichts zu essen, hatte ihm zunächst gut getan. Maria hatte recht, er musste seine jugendliche Beweglichkeit zurückgewinnen, und das ging nur ohne die hinderliche Trommel über seiner Männlichkeit und die ständigen Gichtanfälle. Tatsächlich waren seine Finger wieder brauchbarer geworden und plagten ihn weniger, seit er die Fleischportionen reduziert hatte.
Was ihm nun aber in die Knie gefahren war, das konnte keine Gicht gewesen sein. Es war schlimmer als jeder Schmerz, den er je gefühlt – sogar schlimmer als die grauenhaften Rückenschmerzen, die ihn leider auch trotz Diät unausgesetzt geplagt hatten. Welch erbärmliches Los war ihm doch beschieden!
„Burgvogt! Neuminingen, sofort zu mir! Maria?“
Er hatte gemeint, das leichte Patschen ihrer nackten Füße auf dem Steinboden gehört zu haben. Ihm war nicht wohl dabei, dass man Bernkaller geschickt hatte. Der Mistkerl neigte zu Grobheiten.
Wie gut, dass er auch den bald los sein würde. Ein Leben mit Maria in der Stadt, ein Leben ohne Schmerzen und ohne Wüstlinge und Fanatiker wie Neuminingen und Bernkaller, das war es, was er sich erträumte. Einen Hofstaat wollte er errichten, wie man ihn aus Frankreich kannte, nur höfliche und kultivierte Untertanen um sich. In einer aufstrebenden Freien Reichsstadt würde er residieren und Maria in seidene Gewänder kleiden. Ihr die Füße waschen lassen und sie mit Schuhen ausstatten. Sie endlich ganz an sich binden. Ihren Willen nicht brechen, sondern mit Milde gefügig machen. Davon träumte er, als er hinüberdämmerte. Der Moment, als er das Bewusstsein verlor, ließ Marias Gesicht vor ihm aufleuchten und gewährte ihm die Illusion, sein Traum sei in Erfüllung gegangen.
„Flammen? In unserem neuen Wald?“
„Nicht nur das, Bürgermeister. Der Fürstbischof lässt Holz einschlagen.“
„Wie kann er es wagen!“
„Ohne Holz kein Stadtschloss. Das sollte ihm doch klar sein.“
„So aber geht die Rechnung nicht. Uns ist das Holz wichtiger als ihm das verdammte Schloss. Wir müssen das unterbinden.“
„Noch haben wir keine Befugnisse.“
„Wir haben es mündlich besiegelt. Er muss wahrlich den Verstand verloren haben.“
„Vielleicht seine Krankheit?“
Der Bürgermeister begab sich zu den Buntglasfenstern des Rathauses und schaute gedankenverloren auf den Markt hinunter. Sein engster Vertrauter, der Kaufmann und Ratsherr Luis Hebeheck, sah in friedlichem Miteinander die beste Voraussetzung für blühenden Handel und steuerte den Bürgermeister seit Jahren erfolgreich in diese Richtung – auch wenn der Vorstoß, den Fürstbischof mit Enteignung zu drohen und ihn mit einem Stadtschloss zwangszubeglücken, schon hart auf eine Fehde hingegangen war.
„So krank ist der nicht. Schon gar nicht im Kopf.“
„Aber da ist diese Hexe, von der er sich pflegen lässt. Sie lebt in diesem Wald. Was, wenn sie...“
„Wir sollten den Vogt konsultieren.“
„Der hat doch gar nichts zu sagen. Der kann nur weiter darauf hinwirken, ihn aus der Burg zu ekeln. Aber das Holz gehört dem alten Kirchendummling und niemandem sonst.“
„Bis zum kaiserlichen Erlass kann er unmöglich den ganzen Wald gerodet haben. Sie sind nur drei Männer hoch zugange.“
„Jeder Stamm ist wertvoll. Wir müssen das beenden.“
„Und die Burg gegen uns aufbringen? Im Zweifelsfalle muss der Vogt zum Fürstbischof stehen.“
„Die Burg haben wir doch in einem Vormittag überrannt. Den Kaiser wird’s nicht grämen.“
„Und doch sollten wir auf Frieden bedacht sein. Bürgermeister?“
Hebeheck sah seinen Herrn sich am Fenster versteifen.
„Das gibt’s doch wohl nicht! Seht Euch das an!“
Der Bürgermeister klopfte so heftig mit dem Zeigefinger gegen die Scheibe, dass das Glas zu bersten drohte. Hebeheck eilte an seine Seite. Sofort sah er den Tumult inmitten der Marktstände. Ein Topf voll Honig flog zu Boden und zerbarst. Menschen rannten und stürzten. Ein Stand mit Holzschnitzereien wurde gerammt und brach in sich zusammen.
„Was ist da los?“
„Einer von der Burg, dieser...“
Jetzt erkannte auch Hebeheck den stellvertretenden
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