Toten-Welt (German Edition)
Maßnahmen? Nach dem Stadt-Medikus können wir ja wohl kaum schicken.“
„Ja Herr.“
„Dann hole ihn. Und schau nach mehr von deinesgleichen, wir haben doch nicht nur vier von euch. Wascht ihn. Er soll nicht befleckt daliegen. Wenn er stirbt oder wieder aufwacht, dann lass mich holen.“
Aber von wo? Der Burgvogt war ratlos. Er war Amtmann, nicht Krieger. Wie konnte der Kommandant ausrücken in Zeiten wie diesen? Zwar wusste von Neuminingen selbst nicht, was ihn so nervös machte. Es gab keine echten Anzeichen von Gefahr. Und doch. Maria zu holen und auszubleiben, das war für einen Drei-Mann-Trupp zunächst nichts Ungewöhnliches. Aber irgendwann tauchten sie dann doch auf, meistens ohne sie.
Diesmal nicht. Die Burg war unterbesetzt, seit die Pest vor vier Monaten mal wieder eine kleine Runde durchs Land gedreht hatte, und zuletzt hatte der Kaiser Männer abbefohlen. Es war seit langem klar, dass er diesen Sitz aushungern wollte, aber nur, weil der Fürstbischof ihn erwählt hatte.
Wenn er ihn doch nur los wäre, in die Stadt oder ins Grab, einerlei. Es wurde Zeit, dass die Burg wieder das wurde, was sie einst gewesen war, ein stark befestigter und aktiver Vogtssitz und nicht Ruhekissen und Pflegeanstalt für einen aufgedunsenen Faulenzer mit Befugnissen, die seiner Person zu groß geschneidert waren.
Der Burgvogt entschied, noch zwei Wachen zu entbehren und in die Stadt zu senden. Hatte man nun einen Pakt oder nicht? Zudem konnte es nicht schaden, über die Lage hier aufzuklären und Missstimmungen vorzubeugen. Und sich, umgekehrt, über die Lage dort zu erkundigen.
Der Vogt ahnte nicht, dass er das Schicksal seiner Burg damit besiegelte.
Und wieder, als sie in ihrer geheimen Hütte fernab der Waldwege auf Hermann wartete, konnte Maria sich nicht vorstellen, ihn zu verlassen. Sie liebte ihn so sehr. Und hier war es so friedlich. Was, wenn sie sich auf diesem paradiesischen Fleckchen niederließe?
Jetzt, da sie die Idee dachte, wunderte sie sich, dass sie nicht längst darauf gekommen war. Hier würde sie niemand finden, auch keine Wiedergänger. Hier konnte sie in Ruhe abwarten, bis Hermann so weit wäre. Sollte er doch zusammenmixen, was er wollte, verabreichen würde sie es in seinem Auftrag niemandem mehr. Irgendwann würde er aufgeben und mit ihr kommen, weit von hier weg.
„Jungfer Maria Berkel?“
Sie erschrak so sehr, dass sie Schluckauf bekam. Seit ihrer Kindheit war ihr das nicht mehr passiert.
„Bruder Hermann schickt mich.“
Im Unterholz drei Meter entfernt erkannte sie den Schemen eines Mannes mit Ordenstracht. Dass sie sehr laut von Ferne angesprochen würde, hatte sie nicht erwartet. Hermann kam immer gleich heran und war dabei nicht gerade leise.
„Wer seid Ihr, Mönch?“
„Ich bin Bruder Johannes. Ich komme mit Neuigkeiten und einem Auftrag.“
„Was ist passiert?“
„Kommt nicht näher!“
Sie war aufgesprungen und wollte dem Besucher entgegengehen. Der harsch erteilte Befehl ließ sie verharren.
„Wir haben einen schlimmen Ausbruch im Kloster. Es darf niemand hinein noch hinaus. Mich selbst ließ man nur unter der Auflage, allein Euch aufzusuchen und gleich zurückzukehren und alle Menschen weit zu meiden.“
„Ausbruch von was?“
„Wir wissen es nicht. Es beginnt mit geröteter Haut. Aus den roten Stellen werden bald offene Wunden. Im Nu ist man verblutet.“
„Oh Hermann...!“
Sie hatte es geflüstert, aber der Mönch hatte sie wohl gehört, wenn auch missverstanden.
„Er hat es noch nicht. Aber es kann ganz schnell passieren. Er braucht nun ganz dringend, wonach er Euch bereits befohlen hat. Hinterlegt es, da es ja wohl erst morgen so weit sein wird, auf der Klostermauer und wagt Euch bloß nicht hinein. Bruder Hermann wird nach Euch schicken, wenn er es geschafft haben wird, diese Strafe Gottes abzuwenden. Ich muss jetzt gehen.“
So unvermittelt, wie der Schemen aufgetaucht war, verschwand er wieder.
„Oh Hermann!“, wiederholte Maria, „das viele Blut. Das werden doch nicht auch heimliche Bisse sein? Wie willst du die heilen durch noch mehr Blut?“
Aber sie wusste, sie würde es tun für ihn und ihm den Saft des Verurteilten holen wie schon beim Nachrichter bestellt und bezahlt. Allein im Wald zu bleiben, hier im einstigen Versteck, war ohnehin kein Plan mehr, da nun auch ein anderer den Ort wusste. Kannte ihn einer, dann bald auch andere, das war die menschliche Natur. Vielleicht, wenn Hermann so sicher war, würde es ihm doch noch
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