Totenacker
sich schon auf den Weg machen, als ihm noch etwas einfiel. «Ach, übrigens, ich hab heute deinen Aushang gesehen wegen der Fußballmannschaft. Da wäre ich gern dabei.»
«Du spielst Fußball?», staunte van Appeldorn. «Ich hätte dich eher in der Tennisfraktion vermutet.»
«Nun ja, ist schon länger her, aber früher in Gerresheim war ich mal ein ziemlich guter Rechtsaußen.»
«Okay, ich setze dich auf die Liste. Aber jetzt bringen wir erst einmal das hier auf die Reihe.»
Die Bauarbeiter standen auf der anderen Seite der Grube, und da die Herzogbrücke durch Maschinen, Schutthaufen und gigantische Kabelrollen versperrt war, musste van Appeldorn den längeren Weg über die Opschlagbrücke nehmen.
Im funzeligen Betontunnel am Spoycenter stank es wie immer nach Urin.
Im Gehen zog van Appeldorn sein Handy aus der Tasche und versuchte, seine Frau zu erreichen, erwischte aber nur ihre Mailbox. Er schaute auf die Uhr, Ulli musste in der Wochenbesprechung sein. «Hallo, Schatz, es wird leider später. Ich melde mich nochmal, wenn ich mehr weiß.»
Dann überlegte er. Toppe, sein Chef und langjähriger Weggefährte, machte mit seiner Liebsten gerade Urlaub in der Karibik. Cox und Penny hatten eigentlich dienstfrei und wollten die letzten Tage des Altweibersommers auskosten und noch einmal eine Motorradtour machen. Also blieb nur Bernie, dem er das Wochenende vermiesen konnte.
Und in der Gerichtsmedizin musste er anrufen. Arend Bonhoeffer würde dabei sein wollen, wenn die Spurensicherung die Gebeine barg, die er dann später in der Pathologie untersuchen würde.
«Was soll denn so wichtig daran sein, wie die ursprünglich gelegen haben?», herrschte der Polier van Appeldorn an. «Tot ist tot, oder sehe ich das falsch?»
Der Baggerführer, ein Zweimetermann, der gut und gerne 150 Kilo auf die Waage brachte, hatte eine nörgelige Knabenstimme. «Ich habe alles genau nach Vorschrift gemacht. Ist schließlich nicht das erste Mal. So was kommt öfter vor in meinem Beruf. Habe ich dem Schupo doch schon alles gesagt.»
«Dann erzählen Sie es mir eben noch einmal», gab van Appeldorn unfreundlich zurück.
Der Mann wechselte einen fixen Blick mit dem Polier und verdrehte die Augen. «Na gut, ich habe ganz normal geschachtet. Dann dachte ich, ich hätte ein Stück Knochen gesehen. Das hat man schon mal, wie gesagt. Denkt man sich nichts bei. Man springt ja nicht jedes Mal von der Maschine, wenn was ist, sonst käme man gar nicht voran. Egal, die nächsten drei, vier Schaufeln war jedenfalls nichts. Und dann auf einmal ein Totenkopf, direkt oben auf dem Aushub. Und dann, klar, ich sofort die Maschine abgestellt und den Chef angerufen. Muss ich ja. Was denn sonst?»
Bernie Schnittges hatte sich gerade frustriert auf eine Bank am Fischmarkt fallen lassen, als van Appeldorns Anruf ihn erreichte.
Das war nun schon die vierte Wohnung gewesen, die er sich in dieser Woche angeschaut hatte, und wieder ein Reinfall. Dabei hatte sich die Anzeige ganz gut angehört: Von privat, 3Z, KDB, Tiefgar.platz, zentr. Lage m. Blick a.d. Burg, geh. Ausstattg., KM 395.- .
Vorgefunden hatte er düstere Kämmerchen mit niedrigen Decken, Fliesenboden aus den Siebzigern und ein fensterloses Bad in Beige und Braun.
Er würde wohl doch in den sauren Apfel beißen und einen Makler mit der Suche beauftragen müssen. Inzwischen waren ihm die Mehrkosten schon beinahe egal, Hauptsache, er kam endlich fort aus Kessel.
Vor anderthalb Jahren hatte er sich wegen einer unseligen Liebschaft aus seiner Heimatstadt Krefeld nach Kleve versetzen lassen und unbedingt ein Haus in einem Dorf mieten wollen, weil ihm ein Leben in ländlicher Idylle reizvoll erschienen war. Für Kessel hatte er sich entschieden, weil er ein paar Leute vom dortigen Laientheater kannte und er sich vorgestellt hatte, sie würden ihm helfen, ins Dorfleben aufgenommen zu werden.
Aber dann war am Tag seines Umzugs ein Mord passiert, keine zweihundert Meter von seinem Häuschen entfernt. Ein Mord, in den Männer verwickelt waren, die bis heute erhobenen Hauptes durch das Dorf spazierten, weil man ihnen nichts hatte nachweisen können.
Unglücklicherweise hatte er einen Mietvertrag über drei Jahre abgeschlossen, und bis vor zwei Monaten war es ihm einfach nicht gelungen, einen Nachmieter für das Haus am Seeweg zu finden. Nur wenn es gar nicht anders ging, hatte er dort übernachtet. Ansonsten hatte er seine freie Zeit wieder in Krefeld verbracht und war bei einem seiner fünf
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