Totenacker
dass die anderen es am liebsten genauso hielten.
«Bei uns um die Ecke steht ein Haus leer», sagte er jetzt. «Ich könnte mal fragen.»
«Ihr wohnt doch in Nütterden, nicht?» Bernie lachte. «Nein danke, nett von dir, aber mich kriegen keine zehn Pferde mehr in ein Dorf.»
Auch van Appeldorn lächelte, dann runzelte er die Stirn. «Warte mal, mir fällt da was ein. Ich habe neulich meinen früheren Vermieter getroffen, der hat mir was von einer Kernsanierung erzählt, die wohl gerade abgeschlossen ist. Es ging um das Häuschen am Blauen Himmel, in dem ich mal gewohnt habe. Vielleicht ist es ja noch frei.»
«Das ist doch gleich an der Schwanenburg, oder? Eine tolle Lage.» Bernie wurde ganz kribbelig.
«Ja, ich habe gern dort gewohnt. Es war auch günstig, aber ich weiß nicht, wie viel er jetzt nach der Sanierung dafür haben will. Soll ich ihn mal anrufen?»
«Am liebsten sofort.»
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Zwei
Bonhoeffer mochte kaum glauben, wie schnell sie vorankamen.
Marie war bei ihren Eltern in Bonn gewesen, als er sie auf dem Handy erreicht hatte.
Ob sie Lust hätte, ihm zu helfen? Die Frage sollte wohl ein Witz sein!
Keine drei Stunden später hatte sie schon bei ihm vor der Tür gestanden und am Samstag im ersten Morgenlicht neben ihm an der Baugrube, wo Klaus van Gemmern schon ein Raster ausgelegt und angefangen hatte, die ersten Abschnitte des Gräberfeldes zu fotografieren.
Marie war als Kind ein Wirbelwind gewesen und auch heute noch quirlig, aber wenn es um ihre Arbeit ging, war sie gründlich und äußerst besonnen.
Bonhoeffer hatte beobachtet, dass van Gemmern sie immer wieder musterte, und Wohlwollen in dessen Blick entdeckt – ein Ritterschlag.
Gegen halb zehn hatte man die ersten sicher verpackten und beschrifteten Knochenfunde in die Pathologie abtransportiert.
«Wir sollten uns dann wohl an unsere Arbeit machen», hatte Bonhoeffer gesagt. «Hier werden wir nicht mehr unbedingt gebraucht.»
«Nein, Klaus weiß genau, was er tut», hatte Marie zugestimmt. «Ein guter Mann.»
«Das ist er, völlig monoman, aber zweifelsohne gut.»
In der Pathologie gab es zwar zwei Sektionstische, sie brauchten aber für jedes einzelne Skelett einen eigenen Tisch, mussten parallel arbeiten, um die Knochen richtig zuordnen zu können. Der Technische Dienst der Klinik hatte mit Sägeböcken, Brettern und Türblättern ausgeholfen, sodass, als gegen Mittag der zweite Knochentransport eintraf, acht improvisierte Bahren an den Wänden des großen Prosekturraumes aufgereiht waren und sie mit ihrer Puzzlearbeit beginnen konnten. Die beiden Sektionstische mit der Spülvorrichtung würden sie brauchen, um die Erde von den Knochen abzuwaschen, bevor sie sie untersuchen konnten.
Als Bonhoeffer das erste Mal auf die Uhr geschaut hatte, war es nach acht gewesen.
«Mach Schluss für heute, Arend, und fahr nach Hause. Ich komme auch bald.»
Er hatte seinen Blick über die Exponate auf der Plane schweifen lassen, die sie in der Mitte des Raumes ausgebreitet hatten, dann die augenscheinlich immer noch putzmuntere Marie angeschaut und geseufzt.
Jetzt saß er zu Hause am Küchentisch und trank seinen zweiten Espresso. Es war Sonntag früh, er hatte fast acht Stunden geschlafen und spürte doch jedes einzelne Lebensjahr in seinen Knochen.
Oben wurde die Dusche abgestellt, und zehn Minuten später kam Marie in die Küche gehuscht. Sie hatte ihren blonden Lockenwust mit einem roten Gummiring irgendwie zusammengewurschtelt, ihre Augen strahlten. «Morgen!»
Bonhoeffer seufzte wieder. «Möchtest du auch einen Kaffee, oder soll ich dir lieber einen Tee kochen?»
«Ein Espresso wäre herrlich, danke. Und gibt’s auch irgendwas zu essen? Ich komme um vor Hunger.»
«Das kann ich mir vorstellen.» Er schaltete den Kaffeeautomaten ein. «Dein Abendessen stand im Backrohr. Hast du meinen Zettel nicht gefunden?»
«Doch, aber ich war zu müde, tut mir leid.»
Bonhoeffer lächelte. «Rührei mit Schinken?»
«Gern, aber setz dich wieder, das kann ich doch selbst …»
«Das wär ja noch schöner!» Er stellte eine Pfanne auf den Herd und nahm die Butter aus dem Kühlschrank. «Wie lange hast du denn noch gearbeitet?»
«Weiß nicht genau, so bis drei, glaub ich. Vier Skelette sind so gut wie komplett, aber ich habe da ein Problem.»
Irgendwo klingelte ein Handy.
«Das ist meines.» Bonhoeffer drückte Marie den Pfannenwender in die Hand. «Hängt zum Aufladen an der Steckdose, Sekunde.»
«Es war van
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