Totenbeschwörung
reagieren auf den Gesichtsausdruck, die Stimme und darauf, wie man sie ansieht. Ihr Blick kann einem schon ganz schön Angst einjagen, Turkur. Er geht einem ja unter die Haut, wenn nicht gar tiefer.«
Trask lächelte und bedeutete dem Mann im Käfig aufzustehen. Langsam erhob dieser sich. »Das hätten wir!«, sagte Trask. »Aber vielleicht können wir noch einen Schritt weitergehen!« Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Brust und sagte: »Trask. Ben Trask.« Dann machte er ein fragendes Gesicht und zeigte auf den Fremden.
»Nathan«, sagte dieser und legte sich die Hand auf die Brust. »Nathan Kiklu.«
»So viel habe ich in einer ganzen Stunde nicht aus ihm herausbekommen«, flüsterte Tzonov heiser.
»Dann halten Sie doch den Mund«, meinte Trask, immer noch in demselben, gemessenen Tonfall, »und geben Sie mir eine Chance weiterzumachen.«
Er streckte die Hand durch das Gitter und hörte, wie der Russe scharf die Luft einsog. Der Besucher vernahm es und kniff argwöhnisch die Augen zusammen. Trask hielt dem Fremden auffordernd die offene Hand hin. Dieser entspannte sich, streckte ebenfalls die Hand aus und packte Trasks Handgelenk. Trask erwiderte den Griff. Es war der althergebrachte Gruß der Szgany, den Trask von Harry Keoghs Beschreibungen her kannte.
Die Berührung änderte einiges. Sie sagte Nathan Kiklu, dass Trask sein Freund und wahrscheinlich auch der seines Vaters gewesen war. Woher sonst sollte er diesen Gruß kennen, wenn nicht von einem Traveller oder von jemandem, der die Gebräuche der Sonnseite kannte? Trask bestätigte es, was er von Anfang an gewusst hatte, nämlich dass der Fremde ein Mensch war und nichts weiter. Während des kurzen Kontakts sprach sein Talent an und zeigte ihm, dass der Besucher es ernst meinte.
Schließlich ließen sie einander los und traten jeder ein Stück zurück. »Nathan, kannst du mich verstehen?«, fragte Trask leise. »Verstehst du etwas von dem, was ich sage?« Es war nur ein Ablenkungsmanöver, um Zeit zu gewinnen. Trask wusste längst, dass der andere sehr wohl verstand, was hier vor sich ging, sowohl was seine Lage betraf als auch das politische Ränkespiel um ihn. Zumindest war ihm klar, wer welche Rolle spielte und auf wessen Seite er sich schlagen musste.
Der Besucher machte das Theater mit, spielte das Unschuldslamm und zuckte die Achseln. Indem er sich abermals auf die Brust schlug, sagte er: »Nathan?«
Trask deutete auf seine geöffnete Linke und sagte: »Hand.«
»Hanta!«, nickte Nathan.
»Das klingt deutsch«, erklärte Goodly. »Wenigstens beinahe.«
Trask bückte sich etwas und langte sich an den Fuß. »Füße?«
Nathan blickte verständnislos drein. »Bindera?«
»Das könnte Beine heißen«, sagte Goodly.
Trasks Hand verschwand in der Jackentasche und brachte etwas in der Größe einer Nuss zum Vorschein. Er hielt es dem Mann im Käfig hin, doch Tzonov trat dazwischen und ergriff ihn am Arm. »Was ist das?«
»Der ultimative Beweis, dass er ein Mensch ist«, erwiderte Trask. »Eine Knoblauchzehe!«
Nathan zeigte sich interessiert. Er langte durch die Gitterstäbe und nahm die Zehe, hielt sie sich unter die Nase und roch so verzückt daran, als handle es sich um eine Blume. Sein Blick wurde wehmütig und verlor sich in weiter Ferne, so als kehre die Erinnerung an etwas lange Vergangenes zurück.
»Knoblauch«, erklärte Goodly.
»Kneblasch«, wiederholte Nathan.
»So viel zu Ihren Befürchtungen, er sei kein Mensch, Turkur«, wandte Trask sich an Tzonov. »Dieser Mann ist nie und nimmer ein Vampir. Ich trage einen silbernen Ring, und trotzdem hat er, ohne zu zögern, nach meinem Handgelenk gegriffen. Und so, wie er den Knoblauch ansieht, scheint er ihn für etwas ganz Besonderes zu halten. Er hat ja regelrecht Respekt davor. Ich für mein Teil kann das gut verstehen.«
»Wer weiß, vielleicht verstehen Sie ja mehr, als Sie zugeben«, entgegnete Tzonov düster. »Aber ... ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet. Sie haben immerhin einen Anfang gemacht, aus dem ich ... nun, Kapital schlagen kann. Und jetzt muss ich Sie bitten zu gehen!«
»Wie bitte?« Trask blickte ihn an, möglicherweise etwas zu lange und zu eindringlich, sodass Tzonov das Misstrauen und die Besorgnis in seinen Gedanken sah. Jedenfalls schüttelte der Russe seinen kahlen Schädel.
»Nein, Perchorsk sollen Sie nicht verlassen, zumindest noch nicht. Sie haben in dieser Angelegenheit einigen guten Willen gezeigt, auch wenn Sie meine Methoden für zu hart und
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