Totenbeschwörung
die Invasion in die Welt jenseits des Tores von Perchorsk bereits in vollem Gang. Durch das Tor in Rumänien konnten seine Soldaten zurückkehren und ihm Informationen aus erster Hand darüber verschaffen, was diese unbekannte, primitive und doch so furchtbar gefährliche Welt zu bieten hatte. Möglicherweise hatten sie dann bereits sogar erste Erfolge zu verzeichnen.
Tzonov war sich natürlich darüber im Klaren, dass auch schon andere ESPer vor ihm eine politische ... Erneuerung angestrebt hatten; und er wusste nur zu gut, welche Schwierigkeiten sich vor ihnen aufgetan hatten. Unter den Agenten des alten sowjetischen E-Dezernats war ein Name besonders berüchtigt: Harry Keogh. Doch seit nunmehr sechzehn Jahren war dieser Mann respektive dieses als Necroscope bekannte Ungeheuer verschwunden. Mittlerweile war er nur noch eine Legende, ein bloßer Mythos, ein böser Traum. Die Befürchtungen sowohl des britischen E-Dezernats als auch der russischen ESPionage-Abteilung, dass er eines Tages zurückkehren könne, hatten sich nicht bewahrheitet. Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Necroscope tot. Zumindest nahmen die Briten das an. Vielleicht hatte Keogh aber auch ganz einfach keine Möglichkeit mehr gehabt zurückzukommen! Oder hatte er es nicht gewollt!? Und nun war dieser Besucher hier, Nathan Kiklu.
Handelte es sich bei ihm tatsächlich um einen Flüchtling aus der Welt der Vampire? Oder war er etwa ein Spion der grässlichen Wamphyri, die Starside beherrschten? Das musste Tzonov herausfinden, und darüber hinaus alles, was er sonst noch in Erfahrung bringen konnte. Dabei galt es sicherzustellen, dass die britischen ESPer nicht mehr herausbekamen als er. Es wurmte ihn, dass Gustav Turchin den Befehl gegeben hatte, sie herzuholen. Und er, Tzonov, hatte Turchin auch noch dazu geraten. Aber er war davon ausgegangen, dass sie von Nutzen sein könnten. Nun, wo sie nicht länger gebraucht wurden, war er immer noch gezwungen, so etwas wie ihren Gastgeber zu spielen. Gleichzeitig versuchte er ihnen so viele Informationen wie möglich zu entlocken, vor allem natürlich, was sie über die Welt von Sonnseite und Sternseite wussten.
Die Angelegenheit war ziemlich heikel, und er musste höllisch aufpassen, um alle möglichen Fettnäpfchen zu vermeiden. Solange der Besucher nicht intensiv befragt und eingehend untersucht worden war, musste Tzonov mit äußerster Vorsicht vorgehen und seine Pläne vorübergehend auf Eis legen. Erst wenn die britischen ESPer wieder fort waren und der ganze Rummel sich gelegt hatte, konnte er weitermachen.
Siggi bekam einen Großteil dieser Überlegungen mit. Doch da sie ohnehin eingeweiht war, spielte das im Grunde genommen keine Rolle. Einiges von dem, was Tzonov dachte, berührte sie allerdings trotzdem, vor allem seine zwar vagen, nichtsdestotrotz wenig schmeichelhaften Gedanken in Bezug auf das, was er ihre Promiskuität nannte. Da sie Tzonovs psychisches Problem kannte – seine an Größenwahn grenzende Ichbezogenheit –, war sie sich aber auch des Widerspruchs, der darin lag, bewusst. Denn Tzonov war höchstgradig eifersüchtig und besitzergreifend. Darum wechselte er auch so häufig seine Partnerinnen. Wenn eine seiner Freundinnen auch nur die leiseste Reaktion auf einen anderen Mann zeigte, ganz zu schweigen von wirklichem Interesse, rastete er völlig aus und die Beziehung war beendet. Zugleich wusste Siggi, dass es für Tzonov das Ende bedeuten würde, sollte er je an einen Mann geraten, der ihm sowohl geistig als auch physisch und dazu noch politisch überlegen war. So schnell würde dies nicht geschehen; dennoch machte ihn die Gegenwart von Männern wie Trask oder Goodly nervös. Rein körperlich hatten sie ihm zwar nichts entgegenzusetzen, wohl aber geistig, und das kratzte an seinem Ego.
Tzonov war stehen geblieben und blickte sie an. »Hm? Hast du etwas ...?« Möglicherweise hatte ihr Gesichtsausdruck sie verraten.
Sie schüttelte den Kopf, besann sich dann allerdings eines Besseren und nickte. »Na ja, schon, Turkur. Wir sind uns doch darin einig, dass du der Anführer bist und ich eine bloße Soldatin, wie hoch mein Rang auch sein mag. Außerdem sind wir übereingekommen, dass ich eines nicht allzu fernen Tages mit einer entsprechenden Anerkennung für meine Loyalität rechnen kann. Das Szenario ist nicht besonders originell, trotzdem habe ich mich in jeder Hinsicht daran gehalten, und zwar so sehr, dass man mich wahrscheinlich des Landesverrats bezichtigen könnte, mit
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